Im Ernstfall ist es dann nicht mehr so lustig und gesellig, fürchte ich. Denn irgendwo in dem Einkaufs-Center muß es einen Alarm gegeben haben. Zwar sehe ich den einen oder anderen Angestellten mit farbiger Warnweste herumlaufen, aber weder die Käufer noch die Verkäufer scheint das zu irritieren. Das Leben im Center pulsiert ungebrochen weiter.
Mehrere Polizeifahrzeuge und ein Krankenwagen kommen lautstark herbeigeeilt und blockieren an der Vorderseite des Gebäudes den Haupteingang, der ja gerade in diesem Moment der Hauptausgang für die Flüchtenden sein sollte. Also strömen und zwängen sich die nunmehr alarmierten Menschen dort hindurch, während der Verkehr über die 10-spurige Straße ungestört dahinfließt. Nun ja, gestört fühlen sich die Autofahrer schon ein wenig von den sich ausbreitenden Menschenmassen.
Die Strasse, die hinter dem Gebäude entlang führt, wurde gerade auf eine einspurige Einbahnstrasse umgestellt und beidseitig von Metallpflöcken und Betonkübeln flankiert. Ein Halten, Parken oder ein Sich-Auflösen ist da nicht mehr möglich. Sofort nach Alarm rast ein Feuerwehrwagen mit großer Leiter auf dieser schmalen Einbahnstrasse heran, stoppt vor dem Center und wartet auf den Rest der Truppe, der sich ebenfalls hörbar von irgendwoher nähert. Voller Neugier oder auch nur total ahnungslos oder überaus schlau sind dem Feuerwehrwagen unbeteiligte Autos gefolgt und bilden jetzt mit dem Feuerwehrleiterwagen an der Spitze eine stehende Prozession.
Weil die restlichen Feuerwehrautos einfach nicht näher kommen können, eilen nach einiger Zeit und nach reiflichem Überlegen vom Ende der Schlange her schwerbepackte Feuerwehrmänner zum Einsatzort, mussten sie doch ihre Einsatzfahrzeuge im Stau zurücklassen. Ganz am Ende reiht sich ebenso lautstark ein Rettungswagen ein, der sich jedoch etwas weit entfernt vom Ort des Geschehens wiederfindet.
Und dann ist es plötzlich doch ernst geworden. Evakuierung. Undeutliche Lautsprecherdurchsagen fordern wohl dazu auf. Weder die vielen Touristen noch ich erkennen den Ernst der Lage. Wir folgen den Einheimischen. Deshalb strömen die evakuierten Menschen aus dem Gebäude auf die befahrene Strasse und schaffen es auch ohne polizeiliche Unterstützung, endlich den gefährlich fliessenden Verkehr dort zum Erliegen zu bringen. Derweilen stehen die Polizisten in Grüppchen plaudernd und rauchend zusammen.
Vorschriftsmäßig bei Grün überquert eine Gruppe Kleinkinder in Begleitung von Erwachsenen die Strasse, stemmen sich tapfer gegen den herauseilenden Menschenstrom, und wird von niemandem am Betreten des Centers gehindert; etwas später versuchen die erwachsenen Begleiter dann doch noch, die Kinder heil um das Gebäude herum zu führen. Die Kinovorstellung wird heute wohl ausfallen.
Nun haben sich die Angestellten der Geschäfte in Gruppen und in farbigen Warnwesten um das Center herum versammelt. Das ist doch eine günstige und gesellige Gelegenheit, ein paar Gruppenfotos zu schiessen. Also dirigieren ein paar Herren ohne Warnwesten die großen und kleinen Ansammlungen zu einem fotogenen Platz, wo man sich jauchzend und strahlend und rauchend den digitalen Objektiven präsentiert. Nicht vergessen, damals, beim Feueralarm.
© OScAR 2010.
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