Dienstag, 18. Dezember 2012

Auf dem Jakobsweg

Auf dem Portugiesischen Jakobsweg nach Lissabon


Die Kathedrale von Santiago de Compostela spiegelt sich auf dem weitläufigen Vorplatz in den Pfützen, die von einer regnerischen Nacht zeugen. Dunkle Wolken hängen schwer beladen über den Hügeln. Die Kathedrale steht über einer Grabstätte, die dem Apostel Jakobus zugeschrieben wird und ist das eigentliche Ziel aller Pilger auf dem Jakobsweg, unabhängig von den verschiedenen Ausgangspunkten.

Kaum habe ich den lauten Stadtbereich verlassen und schreite auf Eindrücke und Ereignisse hoffend den mit gelben Pfeilen gekennzeichneten Weg in entgegengesetzter Richtung entlang, da prasselt urplötzlich ein starker Regenschauer auf mich herab. In wenigen Minuten bin ich durchnäßt, bevor ich mich schützend unter das ausladende Dach einer Tankstelle retten kann. So stehe ich da und warte auf das Ende des Regenschauers. Ich warte. Ich warte lange. Die immer noch dunklen Wolken lassen mich nach zwei Stunden einfach aufgeben. Was für eine Blamage zum Beginn meiner Wanderschaft! Schon am ersten Tag schlüpfe ich nachmittags in ein nahegelegenes Motel direkt an der Nationalstraße N-550 und bereite meine nassen Siebensachen auf dem Bett zum Trocknen aus.


Am nächsten Morgen starte ich erneut meine Wanderschaft, nachdem ich mich von einer vielversprechenden Wettervorhersage habe dazu überreden lassen. Diesmal gibt es im Motel ein einfaches Frühstück, gestern gab es nur einen Kaffee und ein Croissant in einem Café. Nach einer guten Stunde liegt Santiago de Compostela hinter mir.  

Dort war mein Ausgangspunkt gewesen, dort strömten mir verschmutzte und gezeichnete Pilger mit verklärten Gesichtern und wunden Füßen entgegen auf den letzten Metern zur Kathedrale. Dort begannen auch meine gestikulierende Erklärungen, erst mit meinem Arm nach Norden deutend und meinen Kopf verneinend schüttelnd, dann mit meinem Arm nach Süden deutend und mit meinem Kopf bejahend nickend, und dazu das Zauberwort Fátima aussprechend. Am verständnisvollen Lächeln des freundlichen und hilfsbereiten Mitmenschen war somit abzulesen, daß man mich nicht vor einer gewissen Orientierungslosigkeit bewahren mußte.

Ich versuche eine für mich Ungeübten passende Schrittgeschwindigkeit zu finden. Zu schnell schreite ich dahin und verlangsame freiwillig meinen Rhythmus immer wieder. Es fällt mir in den ersten beiden Tagen sehr schwer, doch dann werde ich automatisch langsamer. Viel langsamer. Sehr viel langsamer. Denn Steigungen bis zu 10% würden mich auch ohne Rucksack bremsen. Mit Rucksack aber lerne ich das Kleine Einmaleins bei drei Töchtern zum fünften Mal in meinem Leben: Erst zähle ich 100 Doppelschritte, halte an und atme tief durch; dann gibt es Abschnitte, bei denen ich nur 50 Doppelschritte zähle und kurz pausieren muß; 25 Doppelschritte verlangen eine längere Verschnaufpause; und mehrmals bin ich schon nach 10 Schritten völlig atemlos und halte mich vornübergebeugt, schwanke und fürchte, daß der Rucksack bei kleinster Unaufmerksamkeit mich mindestens die letzten 10 Schritte zurück rollen wird. Aber diese Wanderabschnitte liegen noch vor mir und erwarten mich irgendwann in den nächsten Wochen.

Je weiter ich mich von Landstraßen entferne und auf schmalen Wegen und Pfaden dahinschreite, um so öfter wundere ich mich über eine Vogelstimme, die mich jedesmal aufhorchen läßt, wenn ich irgendwo abbiegen muß. Am zweiten Tag wundere ich mich noch mehr darüber, bis mir auffällt, daß mein Navigationssystem an solchen Abbiegestellen diesen Piep Ton erzeugt. Am zweiten Tag wundere ich mich außerdem, wie ich mit dem befürchteten Muskelkater überhaupt noch meine Füße voreinander setzen kann. Zum Glück ebbt der Kater nach wenigen Tagen ab, doch bei den erwähnten Steigungen lerne ich plötzlich weitere Muskel an mir kennen, von deren Existenz ich wahrlich überrascht bin.

Der Camino de Santiago führt mich auf schmalen und leicht zu beschreitenden Pfaden durch dschungelähnliche Wälder, an kleinen steinmauerumrahmten Maisfeldern entlang, unter über den Weg rankenden Reben hindurch, an einsamen Bauernhäusern vorbei und durch kleine Dörfer, aber immer führt der Weg von Kirche zu Kirche. Steinkreuze markieren hier und da die Pilgerstraße, aber auch einige Müllhalden verzieren unverständlicherweise den Pfad. Asphaltierte Abschnitte sind anfänglich rar, eher Sand- und Feldwege, hin und wieder grobes Kopfsteinpflaster, manchmal auch große Steinplatten, aber auch rutschiges Geröll in allen Körnungen.


Kleine sprudelnde Brunnen spenden überall kühles Naß, Feigen- und Apfelbäume am Wegesrand verführen zu Mundraub, aber zur Not ziert eine einheimische Bar jeden noch so kleinen Ort; dort erwerbe ich meinen Milchkaffee und Eßbares. Ein einfaches Schwätzchen kann ich zudem dort immer führen; es beginnt mit der einfachen Frage nach der richtigen Richtung, und danach entwickelt sich das immer wieder beliebte Frage-Antwort-Spiel.

Nachdem es den größten Teil des Tages trocken geblieben ist, verärgert mich dann doch noch ein Regenschauer, obwohl ich diesmal darauf vorbereitet bin. In Padron nehme ich mir in einem einfachen Hotel ein Zimmer, bekomme ein schreckliches Steak, das den Namen niemals verdient, serviert und schlafe erschöpft ein.

Bei Nebel und Morgenfrische und nach einem Flirt mit einer spanischen Kassiererin in einem kleinen Supermarkt kämpfe ich mich keuchend und schwitzend einen Anstieg hinauf und werde oben mit Sonnenschein, einem im Knie schmerzenden Abstieg und dann mit einem wunderschönen Streckenabschnitt belohnt. Weil ich stetig nach Süden wandere, bräunt die Sonne täglich vom Vormittag bis zum Nachmittag mein Gesicht und arbeitet unermüdlich an einem Sonnenbrand. Das Gewicht des Rucksacks plane ich jetzt schon zu reduzieren, warte dafür aber auf eine günstige Gelegenheit. Bisher sind mir wenige Pilger begegnet, abgesehen von den zwei Deutschen an diesem Tag, die geradezu den Pilgerpfad entlang hetzen. Am späten Nachmittag erreiche ich Caldas De Reis und nehme mir wieder ein kleines Hotelzimmer.

Am nächsten Morgen lasse ich mir mit dem Aufbruch etwas Zeit, damit ich loslaufen kann, wenn es etwas wärmer geworden ist. Ein ebenfalls wunderschöner Streckenabschnitt liegt vor mir, auf dem ich zwei Pilgergruppen treffen werde, die beide von Lissabon in 28 bzw. 25 Tagen die Strecke bis hierher geschafft haben. Ich dagegen leide derzeit etwas unter dem Schmerz im linken Knie, besorge mir also bei nächster Gelegenheit eine elastische Binde, die von nun an auch tatsächlich den Schmerz lindert.

Mir fällt auf, daß sehr viele Häuser und Höfe dem Verfall preisgegeben sind, selbst mitten in einem Dorf. Statt dessen sind nagelneue und moderne Häuser inmitten der alten Steinbauten errichtet worden und bilden einen krassen Gegensatz zueinander. Aber alle Häuser auf dem Land und in überschaubaren Orten haben eines gemeinsam: Fensterläden, Rolläden, Türen und Tore sind permanent geschlossen. Mir kommt es vor, als seien diese Gebäude nicht bewohnt, oder nur an Wochenenden, aber es gibt untrügliche Anzeichen, daß sie bewohnt sind: Ein Automobil mit laufendem Motor, Kinderspielsachen, Wäsche auf der Leine, laute Musik und viele andere Indikatoren. Diese Beobachtung gilt gleichermaßen für Spanien und Portugal.


Auf den Anhöhen überwiegen waldige Abschnitte mit hauptsächlich Nadelbäumen, in den tieferen und öfter auch feuchteren Abschnitten dagegen ragen Farne und bambusartige Bäume mit kerzengeraden Stämmen und Pampasgras über den Weg hinweg. Die Felder sind noch überschaubar klein und tragen Mais. Die Bauern bewirtschaften die Äcker mit kleinen Traktoren, von denen manche in einem bedauernswerten Zustand sind. So sind auch die vielen Mopeds, die stinkend und knatternd über Stock und Stein rattern.

Eine weitere Kennzeichnung des Pilgerwegs sind die steinernen Kreuze, auf die ich sowohl in den Orten als auch einsam in Feld, Wald und Flur stoße. Die Sockel dieser Kreuze sind über und über mit Steinen übersät, die Pilger über die Jahre in einem Ritual aufgeschichtet haben. Hin und wieder sind Plastikblumen oder bunte Schleifen hinzugefügt. Zwischendurch finde ich auch sogenannte Steinmännchen, die ebenfalls als Wegkennzeichnung dienen.

Weil die Beschilderung immer dürftiger und sogar irreführender wird, bitte ich eine freundliche spanische Familie um Rat; Sohn Pablo und Tochter Sonja zögern nicht lange und fahren mich im Familienauto die etwa 2km in die Stadt Pontevedra hinein. Nach einem üppigen Salat und einem kleinen Steak schlafe ich in meinem Hotelbett schlagartig ein.

Morgens bemerke ich dankbar, daß der Muskelkater mich nicht mehr quält, und ich muß mich auch nicht mehr aus dem Bett stemmen. Bisher unterstütze ich meine Aufstehversuche mit den Worten „liftoff, we have a liftoff“ aus der amerikanischen Raumfahrt.

Die Kennzeichnung aus der Stadt hinaus ist mangelhaft und der Weg führt über lange Strecken über grobes Geröll, besonders bei den Steigungen. Unterwegs treffe ich einen 76-Jährigen, der mir bei Erwähnung der Stadt Frankfurt mitten auf dem Jakobsweg ein Ständchen bereitet und ein paar Lieder über Frankfurt singt. Er ist hoch erfreut, einen Pilger zu treffen, den ein - wie er sagt - sinnvoller Grund zum Pilgern ermuntert hat und der diese Strapazen auf sich nimmt. Etwas später holt mich ein fliegender Pilger aus Aachen mit leichtem Gepäck ein, begleitet mich ein paar Schritte, bevor er sich verabschiedet und davon eilt. Und mir scheint, daß alle Pilger mit wesentlich schnellerem Schritt die Etappen angehen. Trotzdem erreiche ich nachmittags ein kleines Hotel in Redondela und flirte mit einer kubanischen Rezeptionistin.

Zur Strafe schlafe ich sehr schlecht, kann aber am nächsten Morgen munter loslaufen und nach den blauen Pfeilen Ausschau halten. Zwei ordentliche Steigungen verlangen an diesem Tag sehr, sehr viel von mir ab und machen mich letztendlich platt. Unglücklicherweise erwischt mich wieder einmal ein Regenschauer, der zusätzlich den Pilgerweg in eine Rutschbahn verwandelt. Deshalb verlasse ich den Weg und versuche auf Landstraßen, den nächsten Ort und ein Hotel zu finden. Als mir das nicht so recht gelingt und mir die Nässe zusetzt, fange ich mir ein Taxi ein, lasse mich durch eine Industrieansammlung nördlich von Tui fahren und vor dem erstbesten Hotel absetzen. Ein abendlicher Rundgang durch die letzte Stadt in Spanien vor der Grenze nach Portugal ist enttäuschend, denn ich entdecke zwar viele Bierstuben, aber kein Restaurant, also muß ich mich mit einem Salatteller begnügen.

Über Nacht habe ich beschlossen, meinen Rucksack auszudünnen und wirklich unnütze Dinge zu entfernen; ich kaufe mir im spanischen Postamt einen Karton, stopfe den superleichten Schlafsack, eine überflüssige Jacke, die ISO-Matte und kleinere Dinge hinein, von denen ich mich wirklich trennen kann; das Paket sende ich an meine Tochter, die sich darüber in ein paar Tagen schon wundern wird.


Durch die Stadt hindurch gehe ich auf die Grenzbrücke zu, die den Rio Miño überspannt. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt neben der großen Bastion die korrespondierende portugiesische Grenzstadt Valença. Kurz vor der Brücke treffe ich auf Paul, den Kanadier, der hier wohl gestrandet ist und sich als Englisch-Lehrer das nötige Geld zum Überleben verdient. Nach mehreren Tassen Kaffee hat er mir seine Lebensgeschichte erzählt und mir Glück auf meinem Wanderweg gewünscht.


Mitten auf der Brücke stelle ich jede meiner Uhren um eine Stunde zurück, denn von nun an bin ich in Portugal. Aber auch hier warten steile Anstiege auf mich, die meine letzten Kräfte abrufen. Am Ende eines Geröllfeldes entdecke ich eine der typischen Pensionen entlang des Pilgerwegs in der Nähe von Rubiäes und kehre dort ein. Die Besitzerin ist ausgesprochen unfreundlich und sehr knapp mit Worten. Um diese Pension herum gibt es kaum Gebäude und deshalb auch kein noch so kleines Restaurant. Abends fährt ein Auto vor und ich werde kostenlos in den nächsten Ort und zu dem einzigen Restaurant gefahren. Dort treffe ich zwei amerikanische Paare, die mit sehr leichtem Gepäck nach Santiago laufen. Wir haben eine nette Unterhaltung und tauschen die ersten Erfahrungen aus.

Um 7:30 Uhr klopft mich die Besitzerin der Pension aus dem Bett und läßt mir kaum Zeit für ein einfaches Frühstück. Ich verabschiede mich von den Amerikanern und laufe sogleich los. Als ich den ersten Hügel erklimme, hüllt mich ein wahrer Chor von Glockengeläut aller Kirchen in der hügeligen Umgebung ein. Sie alle läuten die gleichen Töne und im gleichen Rhythmus, lediglich wegen der unterschiedlichen Entfernung zu mir zeitlich leicht versetzt. Ein unvergleichlicher Genuß.

In den nächsten Tagen werde ich von jeder nahen und fernen Kirche ein identisches Stundenläuten hören, denn man hat auf die Kirchtürme große Lautsprecher installiert, die von irgendeiner Zentrale das Geläut und die Stundenschläge an allen angeschlossenen Kirchen ertönen lassen. Die Wegstrecke heute ist dagegen unbarmherzig, denn ich laufe nur auf Geröll die Anstiege hinauf und auch anschließend die Abstiege hinunter. Mein Navigationssystem piepst nicht mehr, weil ich eigentlich eine andere Streckenführung einprogrammiert habe, statt dessen markiere ich die Abweichungen zu meiner Planung und halte die Wegpunkte des Caminho de Santiago (so ist die portugiesische Schreibweise) im System fest. Mir begegnen heute mehrere Deutsche und Iren, und eine sehr lustige und lärmende Pilgergruppe aus der Pfalz.

Abends erreiche ich Ponte de Lima mit seiner fotogenen römischen Steinbrücke, ignoriere die Herberge und halte Kurs auf das einzige Hotel in der Stadt. Das mir angebotene Hotelzimmer ist ideal für einen weiteren Wäschewaschgang. Ein kleiner Stadtrundgang und ein kleiner Happen zum Abendessen runden den anstrengenden Tag ab.

Von der Sonne werde ich am nächsten Morgen freundlich begrüßt. Sie wird mich den Tag begleiten, mir den Schweiß nicht nur auf die Stirn treiben und für den Sonnenbrand sorgen. Ich ahne noch nicht, daß ich geradezu auf den Streckenabschnitt zuhalte, der mir die allerletzten Reserven abverlangen wird. Auf rutschigem Geröll klettere ich unentwegt die steilen Waldwege hinauf und wuchte meinen Rucksack über Engstellen und Felsbrocken. Die Kilometer ziehen sich wie ein Gummiband in die Länge. Schon wird es dunkel und damit auch empfindlich kalt, aber ich stapfe mühsam weiter und erreiche bei Dunkelheit die einzige Übernachtungsmöglichkeit in Tamel, auf dem höchsten Punkt des Portugiesischen Jakobswegs.

Zum ersten Mal seit Beginn meiner Wanderung kehre ich dort in einer Herberge ein. Zwei Schlafsäle mit doppelstöckigen Betten, Toiletten und Duschen im Flur, Kochgelegenheit, Wäschetrockenraum und eine bunte Mischung aus Mitpilgern und Mitpilgerinnen. Jetzt wird mir bewußt, daß ich mich von meinem Schlafsack wohl etwas verfrüht verabschiedet habe. Ich bastele mir aus meinen Kleidungsstücken und Regenponcho eine Zudecke und aus dem geleerten Rucksack eine Art Kopfkissen. Danach nehme ich im Restaurant gegenüber ein kleines Steak und das eine oder andere Glas Bier. Dabei lerne ich ein Pärchen aus Mexiko kennen, mit dem ich mich austausche und dem ich gerne von der bisher von mir zurückgelegten Strecke berichten kann. Dieser Mexikaner wird uns allen in Erinnerung bleiben. Er geht zu Bett und beginnt sofort mit einem Schnarchkonzert, das aus einem einzigen Akt besteht, aber dieser hält tatsächlich die gesamte Nacht an.

Entsprechend müde und gerädert werfe ich mir den Rucksack auf den Rücken und laufe früh am Morgen ohne Frühstück erst einmal los. In den nächsten Stunden erfüllt alle 15 Minuten der stetige melodische Klang der Kirchenglocken, also der Lautsprecher, in den umliegenden Dörfern die Ruhe, die über dem Streckenabschnitt liegt. Doch auch die Landschaft verändert sich zunehmend. Die Bewaldung weicht zurück, die Felder werden größer und die Erntemaschinen und großen Traktoren ändern das bäuerliche Bild. Die kleinen Bauernhöfe weichen jetzt großen und stolzen Gutshöfen, die sich mehr und mehr hinter imposanten eisernen Toren und Zufahrten verstecken. Aber auch die Gerüche verändern sich, jetzt überwiegt der Geruch von Silos, Diesel und Ammoniak aus den großen Stallungen, an denen ich vorbeilaufe.

Nachmittags erreiche ich die Kleinstadt Barcelos und genehmige mir erst einmal eine längere Pause auf dem großen Marktplatz, um das Geschehen zu beobachten. Dort findet jeden Donnerstag – und heute ist Donnerstag – ein riesiger, ländlicher Markt, Feira de Barcelos, statt. Dann aber marschiere ich durch die schattigen Sträßchen hinunter zur Brücke über den Fluß Cavado, der Barcelos von Barcelinhos trennt. Ich schiebe mich hinauf und aus dem Ort hinaus, muß aber nach einiger Zeit feststellen, daß ich wegen meiner langen Pause relativ spät unterwegs bin und nur im Eilmarsch eine Unterkunft finden werde. Also bitte ich einen Frisör in seinem kleinen Laden an der Straße, mir ein Taxi zu rufen und lasse mich zurück in die Stadt und in ein kleines Hotel fahren.

Früh bin ich schon wieder auf den Beinen, lasse mich von einem Taxi zum gestrigen Endpunkt bringen und marschiere beschwingt bei schönstem Wetter los. Eine erneute Unstimmigkeit zwischen der Beschilderung und meinem Navigationssystem beschert mir ein paar Zusatzkilometer bei brütender Hitze. Zwischenzeitlich überwiegen riesige Ackerflächen, auf denen mit Hochdruck und mit riesigen Erntemaschinen Mais geschnitten und sogleich zu Silage gehäckselt wird. Große Schlepper ziehen mit hoher Geschwindigkeit große und schwer beladene Anhänger über schmale Feldwege und lassen mir zwischen den Feldmauern kaum Platz zum Ausweichen.

In Rates will ich in einer Herberge übernachten, doch diese ist schon am Nachmittag überlaufen, was mich zum Weitermarschieren zwingt. Urplötzlich eilt mir in einer winzigen Seitenstraße eine Gestalt entgegen, hält seine Finger der rechten Hand wie eine Pistole geformt und redet wirres Zeug; jedenfalls klingt sein Portugiesisch für mich so. Ich muß trotzdem lachen, ziehe mein Brotmesser aus der Scheide und drohe ihm mit Ohrenabschneiden. Wie ein Wirbelwind verschwindet er wieder zwischen den Steinhaufen.

Während ich vor einem winzigen Café meinen Kaffee genießen kann, setzt sich David aus Liverpool an mein Tischchen. Er ist so etwa mein Alter und kommt gerade aus Lissabon gelaufen. Nun ja, Laufen kann man das nicht bezeichnen, was ich so beobachtet habe. Während er seine nackten und mit roten Flecken übersäten Unterarme ständig kratzt, erzählt er mir von seiner Frau, die gerade verstorben ist und weshalb es ihn auf den Jakobsweg geführt hat. Dann jammert er über die 60km Strecke aus Lissabon hinaus nach Norden und zwei Tage lang nur durch Industriegebiete und auf Asphalt, was ihm sogleich eine größere Blase beschert hat. Wie zum Beweis entfernt er vorsichtig Schuh und Socken und gibt einer übergroßen Blase etwas Licht und Luft. Ich mutiere zur Krankenschwester und versorge seine lädierte Fußsohle, an die er nur unter Anstrengungen kommen würde, mit meinem größten Spezialpflaster für Blasen. Als ich ihm dann noch meinen Stift gegen Insektenstiche und –bisse überlasse, strahlt er übers ganze Gesicht. Es sind wohl Bettwanzen gewesen, die ihn in der letzten Herberge überfallen haben. Wahrscheinlich schleppt David nun einige der Biester mit sich herum und in die nächste Herberge in Rates.

Für mich fällt damit diese Herberge definitiv aus und ich schreite weiter bis in den nächsten Ort Arcos, in dem ich eine kleine aber feine Pension finde und wo man mir auf meinen besonderen Wunsch Spaghetti mit Zucker serviert. Ich habe an den Gesichtern sehen können, daß diese meine Leibspeise sehr verwirrt registriert wurde.

Gegen 9:00 Uhr verlasse ich die kleine Pension. Obwohl es bewölkt und frisch ist, läuft der Schweiß in Strömen. Die rechte Hüfte schmerzt, nachdem ich lange Strecken auf rauhem Kopfsteinpflaster zurückgelegt habe. Ich biege in einen schattigen Waldweg ein und entdecke ein Polstersitz auf einer kleinen Mauer. Erfreut setze ich mich darauf und ziehe Schuhe und Socken aus, um meinen Füßen etwas Erholung zu bieten. Ich staune nicht schlecht, als es hinter mir raschelt und ein Pärchen auf den Weg tritt. Der Herr eilt zu einem geparkten Automobil und rast davon. Die Dame dagegen steht vor mir und redet lauthals und gestikulierend auf mich ein. Ich verstehe nichts. Erst als sie „Dinheiros, Dinheiros“ schreit, wird mir schlagartig klar, daß ich hier irgendwelche Geschäfte störe. Lachend verziehe ich mich, nicht ohne ihren kurzen Mini-Rock und die Rundungen in ihrer viel zu knappen Bluse gebührend zu loben.

Ein Wochenende auf dem Jakobsweg kündigt sich frühzeitig an: Die Mountainbiker vervielfältigen sich plötzlich und flitzen laut diskutierend und ohne ein Wort des Grußes an mir vorbei. Auch hier nehmen sie wenig Rücksicht auf meine durch den schweren Rucksack limitierten Ausweichmanövermöglichkeiten. Ein Wochenende auf einer vielbefahrenen Landstraße kündigt sich ebenso frühzeitig an: Die Radrennfahrer spurten mir in Horden entgegen, sie schreien und scherzen und sie haben nur Augen für den Vordermann, der mir zwar in letzter Sekunde ausweichen kann, das kann aber nicht der Nachfolgende. Am Sonntagabend ist der Spuk dann meistens vorbei.

Jamey, der Australier, sitzt vor einem Café und lädt mich ein, eine Weile mit ihm zu plaudern. Er ist auf dem Weg nach Norden und hat so viele Fragen, die ich ihm nach bestem Wissen beantworte. Die letzten Kilometer führen durch eine verlassene Industriegegend, die ich gerne hinter mir lasse, nach Maia abbiege und im berühmten Puma Hotel ein Zimmer nehme. Leider gibt es in der Umgebung kein einziges Restaurant, also muß ich in einer Bar einen Salat und ein Bier bestellen. Und krieche danach sofort ins Bett.

Auf einer Durchgangsstraße mit regem Fahrzeugverkehr habe ich am nächsten Morgen die Stadt verlassen und nähere mich im Schrittempo Porto. Statt der Bäume und Sträucher flankieren jetzt Fabriken, Geschäfte, Häuser, zugeparkte Gehwege und Stolperfallen meinen Wanderweg. Auf den Gehwegen zu laufen macht keinen Spaß, weil diese wie gesagt zugeparkt sind und wellenförmig verlaufen, das heißt, daß der Gehweg vor jeder Einfahrt oder vor jedem Eingang abgesenkt ist. Dieses Auf und Ab strapaziert meine Gelenke so sehr, daß ich mutig und trotzig auf der Straße laufe. Die Autofahrer scheinen das nicht als störend zu empfinden und lassen mir meinen Willen. Kilometer um Kilometer schreite ich auf einer der Einfallstraßen auf die Großstadt zu, bis ich die Häuserschluchten erreicht habe und in ihnen eintauche.

Porto überrascht mich positiv und gerne bummele ich durch die Stadt und hinunter zum Flußufer, trinke einen Kaffee in einem vornehmen Restaurant und beobachte das laute und interessante Stadtleben. Sobald sich die Gelegenheit bietet, werde ich diese Stadt für mehrere Tage und mit genügender Zeit wieder besuchen und mir die Dinge ansehen, auf die ich jetzt als Pilger verzichten muß. Über die berühmte Stahlbrücke wende ich mich nach Süden, keuche hinauf in die Vororte und übernachte in einem kleinen Hotel. Ich bestelle mir ein Lachssteak und ein Bier, schaue mir dabei ein Fußballspiel mit Messi, Ronaldo und Khedira an und schlüpfe etwas später ins Bett.

Im Frühstücksraum des Hotels sprechen die Gäste durchweg Deutsch. Wie ich erfahre sind sie alle zu einer Hochzeit gekommen. Ich wünsche alles Gute, verabschiede mich und stapfe bei Nieselregen, Morgenfrische und dunklen Wolken bergauf. Eigentlich gute Bedingungen zum Laufen, jedoch muß ich erst einmal auf einer Landstraße weiterziehen. Aus Sicherheitsgründen schalte ich mein rotes Blinklicht ein und befestige es am Trageriemen meines Rucksacks. Es geht auf und ab in munterer Reihenfolge und dann urplötzlich nach rechts eine Böschung hinauf. Mehrmals überprüfe ich die Richtung und die Kennzeichnung, aber es gibt keine Zweifel, der Jakobsweg ist zu einem schmalen Trampelpfad geschrumpft. Sofort stelle ich mir einsame Pilger, böse Gesellen und Überfälle auf diesem Streckenabschnitt vor. Statt dessen muß ich mich vor Plastikstoßstangen aller Fabrikate, Müll und Bauschutt in acht nehmen.

Der Waldweg ändert sein Gesicht und ich schreite im Zickzack Kurs abwärts, auf überdimensionalen Steinplatten, die den Weg zwar befestigen, aber zum Laufen wahrlich nicht geeignet sind. Zwischendurch nieselt es und die Luftfeuchte ist so hoch, daß sogar meine Hosenbeine durchnäßt sind. Ich habe viel Zeit bei diesem stundenlangen und vorsichtigen Abstieg verloren. Also frage ich nach und suche mir ein Motel direkt an der nahen Nationalstraße N-1 in Santa Maria da Feira.

Der Rezeptionist prophezeit für den heutigen und auch für die folgenden Tage Regenwetter, und beim Hinaustreten vor das Hotel am nächsten Morgen hängen dunkle Wolken über meinem heutigen Streckenabschnitt. Wegen des Nieselregens ziehe ich den Regenponcho über und befestige mein rotes Blinklicht daran, weil ich einige Kilometer auf der Landstraße gehen muß. Erst gegen Mittag lege ich eine Pause ein und stelle fest, daß wieder einmal mein Navigationssystem mit den blauen Richtungspfeilen nicht unbedingt übereinstimmt. Diese Pfeile führen sehr oft zu wilden Müllhalden, die ich mir nicht unbedingt antun muß.

Mein Navigationssystem schlägt mir eine Abkürzung vor, der ich gern folge. Ich schreite einem serpentinenartigen, weichen Waldweg hinunter und nähere mich einer Biegung, an der ich deutlich Motorsägen Geräusche hören kann. Hoffentlich ist der Waldweg nicht gesperrt, denke ich, während die Motorsägen immer lauter aufheulen. Besorgt fällt mein Blick einen Hang hinauf, auf dem plötzlich mehrere dieser schlanken Bäume sich langsam aber stetig zur Seite neigen und in meine Richtung zu fallen drohen. Mein Navigationssystem signalisiert mir nur noch ein paar wenige Hundert Meter, doch ich ignoriere es diesmal und arbeite mich schnell wieder zurück über die Serpentinen zum Ausgangspunkt für meine Abkürzung. Diese wäre ideal für mich gewesen, so meint mein Navigationssystem später an einem Punkt, an dem der vorgeschlagene Abkürzungsweg auf den Caminho trifft.

In einem Wohngebiet verlieren sich plötzlich alle Richtungspfeile. Ich gehe ein paar Schritte in die eine, dann in die andere Richtung. Ich gehe zurück, ich gehe wieder vor und stehe dann ratlos mitten auf der Straße. Wie üblich sind die Rolläden aller Häuser heruntergelassen und ich kann niemanden nach der Richtung fragen. Doch eine alte Frau beobachtet mich kritisch durch ein kleines, vergittertes Fenster. Ich gestikuliere und will fragen, in welche Richtung ich als Pilger gehen soll. Da öffnet sie tatsächlich die Tür und erklärt mir wort- und gestenreich, nach Fátima müsse ich den Berg hinunter gehen. Ich bedanke mich mehrfach. Sie gibt mir zu verstehen, ich möge der Jungfrau in Fátima einen Kuß von ihr geben. Das verspreche ich.

Seit Tagen habe ich schon keinen Pilger getroffen, aber heute kommen mir zwei Radpilger entgegen. Wir tauschen Wegedaten und Wegbeschreibungen aus und wünschen uns einen sicheren Weg. Etwas später beende ich den Tag in einem einfachen Hotel in der Nähe von Arrifana, nicht bevor ich ein ebenso einfaches Restaurant aufgesucht habe. Sofort stellen der Wirt und ich Sprachschwierigkeiten fest, aber er reagiert völlig überraschend für mich: Ohne zu fragen stellt er mir ein gutes Abendessen auf den Tisch.

Wieder ist es bewölkt am Morgen und ich laufe mit Dynamik los. Die Gegend ist flach und baumlos und die Felder werden wieder größer und sind schon abgeerntet. Zum Mittag wird es sonnig und heiß. Immer öfter führt der Jakobsweg über Landstraßen und läßt bei mir eine gewisse Unsicherheit ob des Verkehrs aufkommen. Abwechslung gibt es kaum welche, abgesehen von der jungen Dame in rosafarbenen High heels, rosafarbenem Minirock, rosafarbener Bluse, rosafarbenem Dekolleté und rosafarbenem Handy, das sie ständig am Ohr hält und vorgibt, mit jemandem zu sprechen. Nein, sie hat keine Autopanne und ein Automobil ist auch nicht zu sehen. Wir scherzen, weil sie sich nicht vorstellen kann, den weiten Weg nach Lissabon zu laufen. Mit High heels womöglich.

Nach neun Stunden und drei Pausen und einer ersten Blase am Fuß stellt sich heraus, daß es kein Hotel weit und breit gibt. Also bleibt mir nur ein Feldbett bei der Freiwilligen Feuerwehr des Ortes als Alternative zu einer ausgesprochen einfachen Pension. Ich wähle die Pension in Albergia de Velha. Die Blase steche ich einfach auf, lege sie trocken und sprühe flüssiges Pflaster darauf. Damit ist dieses Thema für den Rest meiner Wanderung abgeschlossen.

Während der Nacht hat es geregnet und der Morgen zeigt sich wieder einmal stark bewölkt und frisch. Nach etwa zwei Stunden Marsch zieht eine Regenwand auf und ich flüchte im letzten Moment unter das schützende Dach einer Tankstelle. Nach über einer Stunde kann ich weiterziehen und entscheide mich erst einmal für die laute und gefährliche Nationalstraße N-1. Der ausgeschilderte Jakobsweg verläuft mal mehr mal weniger parallel zur Landstraße und ist zu einer rutschigen Bahn geworden. Gegen Mittag meint es die Sonne gut mit mir und läßt mich den Regenponcho wieder verstauen.

Heute habe ich von einem Croissant, einer Banane und einer Scheibe Toastbrot, dazu zwei Milchkaffee und zwei Cola Light den Tag über gelebt. Deshalb wundere ich mich über die noch in mir steckende Energie. Ich marschiere weiter und erschrecke, als erst ein Automobil mit aufheulendem Motor aus dem Gebüsch an mir vorbei schießt, und dann eine noch nicht ganz bekleidete Dame in Stöckelschuhen das Gebüsch verläßt. Sie scheint ärgerlich zu sein, habe ich womöglich etwas gestört?

Während ich vor einem Café eine Pause einlege, spricht mich vom Nachbartisch ein freundlicher Portugiese an. Er kann meine Frage nach einem Hotel sofort positiv beantworten und zeichnet mir sogar eine Skizze, wie ich auf kürzestem Weg dieses Hotel in Agueda finden kann. Ich finde es sehr schnell und bin dankbar, daß ich wieder einmal eine Wäschewaschstunde einschieben darf.

Am nächsten Morgen werde ich von der Sonne begrüßt, packe meinen Rucksack und nehme noch ein Frühstück im Hotel, bevor ich loslaufe. Wieder treffe ich auf eine Gruppe Deutscher, die in der Gegenrichtung unterwegs sind. Man lächelt mich an und erwähnt einen sehr steilen Abstieg, der sich dann für mich als steilster Anstieg auf dem gesamten Weg entpuppt. An einer Kreuzung stoppt ein portugiesischer Autofahrer, begrüßt mich freundlich, reicht mir einen Beutel mit einer Flasche Wasser und zwei Äpfeln und wünscht mir einen sicheren Wanderweg. Dieser führt mich durch nunmehr flaches Gelände und auf leicht zu begehenden Wegen.

Duarte aus Toronto kommt mir entgegen, der mir sogleich von seinen portugiesischen Wurzeln erzählt. Während wir uns unterhalten, nähert sich Maria aus Ungarn und gesellt sich zu uns. Maria ist vor vier Monaten in Budapest gestartet und seither 4.000km gewandert. Ihr Ziel ist es, Fátima in den nächsten Tagen zu erreichen. Wir beschließen, ein paar Tage zusammen zu laufen und uns dann an geeigneter Stelle zu trennen, denn mein Ziel ist ja das südlichere Lissabon. Maria geht diesen Weg ohne irgendwelche Geldreserven, schläft in verlassenen Häusern, in Kirchen oder bei der Freiwilligen Feuerwehr, in Herbergen oder auf Einladung bei Privatleuten. Sie wandert in Sandalen und dazu barfuß, und sie hat einen schnelleren Schritt als ich. Während der nächsten Tage wandern wir nicht nur zusammen, sondern ich lade sie dazu ein, im Hotel mit mir in ihrem eigenen Zimmer zu übernachten und mit mir Cafés und Restaurants zu besuchen.

Wir beide kommen nach einem heißen Nachmittag in Mealhada an, finden sofort den Wegweiser zur Freiwilligen Feuerwehr, der neben einem Wegweiser zum einzigen Hotel des Ortes plaziert ist. Ich schaue Maria an, wir lachen und laufen in Richtung des Hotels. Am ersten Abend gesteht sie mir: „Weißt Du, was das schönste Geschenk für mich heute war? Zwei Stunden in der heißen Badewanne zu liegen!“ Ich dagegen habe die Gelegenheit genutzt und habe sämtliche Wäsche gewaschen. Also meine eigene.

Auf besonderen Wunsch einer einzelnen Dame folgen wir am nächsten Morgen strikte dem Caminho de Fátima und verlieren über den Tag gesehen etwas Zeit, weil wir die Abkürzungen über die Nationalstraße N-1 meiden, wie der Teufel das Weihwasser. Als wir dann doch ein paar Kilometer die Landstraße laufen müssen, entdeckt Maria einen kleinen Hund, der wohl angefahren worden und erbärmlich zugerichtet ist. Sogleich stürme ich in eine Tankstelle und bitte um Hilfe: Wo gibt es einen Tierarzt, kann die Polizei benachrichtigt werden, oder vielleicht die Feuerwehr, oder einen Jäger? Man sieht mich verständnislos an und bedauert und wendet sich ab.

Zum Glück marschieren wir einen einsamen Weg und jeder von uns hängt erst einmal seinen eigenen Gedanken nach. Nach ein paar Stunden entscheiden wir, meinem Navigationssystem zu folgen und nehmen eine Abkürzung direkt in die Innenstadt von Coimbra. Wir quartieren uns im Tivoli Hotel ein und schlendern abends durch die Altstadt, essen in einem netten Lokal und lassen den Tag einfach ausklingen. Zuvor bekundet Maria ihr Interesse am weiteren gemeinsamen Laufen.

Vormittags erklimmen wir mehrere Hügel und folgen dem Pilgerweg, soweit er erkennbar ist. Und dann nieselt es wieder und ein frischer Wind zieht auf, der uns nachmittags frösteln läßt. Abseits laufen hat den Nachteil, daß wir an sehr wenigen Cafés und Bars vorbeikommen. Wir beratschlagen an einer Kreuzung, ob wir uns hier trennen, damit Maria ihren Weg mehr westlich nach Fátima verfolgen und ich mich weiter nach Süden halten kann. Wir laufen nur noch heute zusammen, beschließen wir, und halten zum ersten Mal an diesem Tag an einer dörflichen Bar. Mehrere Portugiesen sitzen zusammen und beobachten uns auffällig. Und kaum haben Maria und ich uns auf einen Kaffee verständigt, begrüßt uns überschwenglich einer der Portugiesen in fast tadellosem Deutsch. Viele Jahre lebte und arbeitete er in Wesel und ist ganz aufgeregt, als Dolmetscher die vielen Fragen und Antworten der Umstehenden zu übersetzen. Wir sitzen alle an einem großen Tisch und scherzen und erklären. Als wir aufbrechen wollen, fährt einer der Portugiesen ein Automobil vor, läßt uns einsteigen, dazu noch unseren Dolmetscher und den Fahrzeugeigentümer (er habe zuviel getrunken!) und kutschiert uns unter Lachen nach Condeixa zu einer Pousada. Vorher jedoch will der Dolmetscher an seinem Haus vorbeifahren, um uns etwas Ausgefallenes zu zeigen: Und tatsächlich hat er in seinem Vorgarten einen lebensgroßen Esel aufgestellt. Dieser ist ein Geschenk von Freunden aus Wesel. Wie heißt der Bürgermeister von Wesel…?

Der letzte, gemeinsame Morgen begrüßt uns mit einem blauen Himmel, Sonne und frischem Wind. Wir wandern eine Landstraße entlang und sammeln dadurch mehrere Kilometer bis zum Mittag. In einem ländlichen Gasthof serviert man uns das einzige Gericht, das zur Auswahl steht. Suppe und Tintenfisch. Wir stimmen zu und genießen, um sofort danach wieder die Kilometer aufzulesen. Leichte Hügel fordern uns nicht heraus, statt dessen genießen wir den ruhigen Wanderweg, der sich durch die offene Landschaft schlängelt, und das wundervolle Wetter dazu. Am späten Nachmittag erreichen wir Ansião und übernachten in einem kleinen Hotel. Nach dem Abendessen beugen wir uns über die Landkarte und stellen fest, daß wir doch noch einen Tag zusammen laufen wollen. Ich werde Maria ein gutes Stück begleiten und dann nach Süden abbiegen, auch wenn es ein paar Kilometer Umweg für mich sein wird.

Am nächsten Tag folgen wir strikte dem Caminho und merken sehr schnell, daß wir einen wunderschönen Wandertag und Wanderstrecke ohne Straßenlärm vor uns haben werden. Gleichmäßig schreiten wir dahin und sind in Gedanken versunken. Nach einigen Stunden liegt die Weggabelung vor uns, an der wir uns jetzt aber wirklich trennen müssen. Danach kann ich für eine Weile das entfernte Hundegebell hören und weiß, wo Maria gerade dahinschreitet, ihrem Ziel entgegen. Ich lenke nunmehr meine Schritte in südliche Richtung und marschiere munter weiter. Eine Pause lege ich für meine Füße ein, eine weitere Pause für einen Kaffee und eine letzte Pause für eine Cola mit Keks.

Ein Südafrikaner hält neben mir an, verwickelt mich in ein kurzes Gespräch und empfiehlt mir eine kleine Pension in Alvaiazere. Dieser Empfehlung folge ich und lege die letzten Kilometer durch eine verbrannte Landschaft zurück. Auf der rechten Straßenseite sind Gras, Büsche und kleinere Bäume völlig verbrannt und die wenigen großen Bäume strecken nur noch schwarze, größere Äste in den Himmel. Auf der linken Seite der Straße hatte man das Feuer wohl verhindern können. Nach einer Weile stehe ich staunend vor einer Feuerwehrstation, um die herum alles verbrannt und deren Außenwand stark geschwärzt ist.

Der Wirt der kleinen Pension ist ziemlich wortkarg. Er drückt mir wortlos den Zimmerschlüssel in die Hand und deutet zum Hauseingang. Ich schleppe meinen Rucksack einen engen Treppenaufgang hinauf und muß über das viel zu kurze Bettgestell laut lachen. Wie auch in anderen Herbergen und Pensionen sprühe ich mein Autan erst einmal unter und neben die Matratze, in der Hoffnung, von Bettwanzen verschont zu werden. Beim Eintreten in das Restaurant, zu dem die Pension gehört, stellt mir der Wirt wortlos eine reichliche Pilgerspeise auf den Tisch, dazu serviert er immer noch wortlos einen Rotwein. Und das Besucherbuch, in das ich mich eintragen soll. Nachdem weitere Gäste in das Restaurant gekommen sind, beachtet mich der Herr Wirt überhaupt nicht mehr und läßt mich fühlen, daß ich hier nur ein Pilger und damit ein Gast zweiter Klasse bin.

Morgens regnet es in Strömen. Ich warte deshalb und nutze eine kurze Regenunterbrechung, um in ein Café zu sprinten und erst einmal zu frühstücken. Dabei beschließe ich, auf der Nationalstraße N-110 so lange weiterzulaufen, bis es nicht mehr regnet. Bei strömendem Regen und LKW-Verkehr auf einer schmalen Landstraße zu laufen ist recht mutig. Kilometer um Kilometer kämpfe ich mich nach Süden, habe mein rotes Blinklicht eingeschaltet und beobachte den mir entgegenkommenden Verkehr. Wann immer ein Autofahrer eine Lenkbewegung macht und Abstand zu mir herstellt, bedanke ich mich freundlich.

Am Nachmittag habe ich eine blendende Idee: Neben einer einsamen Bushaltestelle betrete ich ein ebenso einsames Café. Ich frage nach, ob ein Bus nach Tomar fahren würde, und wenn ja, wann. Die Antwort kommt prompt: Ein Bus nach Tomar komme erst in drei Stunden. So entscheide ich mich, einfach weiterzulaufen und an einer der nächsten Bushaltestellen in etwa drei Stunden den Bus abzuwarten. Also marschiere ich los. Nach etwa einer Stunde nähert sich von hinten ein Kleinbus, bleibt stehen und ein Hippie springt heraus: „You need a lift?“ Ich zögere nicht lange und springe in den Bus mit englischem Kennzeichen. Der Fahrer erklärt, er habe mich in diesem Café nach dem Bus fragen hören, und weil es eine riesige Straßenbaustelle kurz vor Tomar geben würde, sei es sicherer, mit ihm im Kleinbus zu fahren. In der Tat sehe ich etwas später diese Baustelle, an der man auf Pilger keine Rücksicht genommen hat, denn für Fußgänger gibt es dort kein Durchkommen.

Kaum bin ich in Tomar angekommen, klart das Wetter auf, der Regen endet und die Sonne scheint, als wäre sie schon den ganzen Tag am Scheinen. Die Stadt ist ein kleines Juwel, die stolze Burg thront auf dem Berg und das Hotel ist seine Sterne wert. Ich werde hierher wieder einmal kommen. Weil das Fernsehen aber nur regnerische Aussichten für den kommenden Tag bereit hält, überlege ich, ob ich nicht einen Pausentag einlegen sollte. Ich mache diese Entscheidung vom morgigen Wetter abhängig.

Unterwegs sind meine ständigen Wegbegleiter ausgeblieben, sie haben sich alle bei diesem Regen verkrochen. Keine Eidechse, die mich neugierig ein paar Schritte begleitet. Keine Grashüpfer. Sogar die Kettenhunde haben sich verkrochen und lassen mich kommentarlos vorbeiziehen. Auch die Ameisen, die fleißig in den Asphaltrinnen ihr Tagespensum erledigen wollen, haben einen Ruhetag eingelegt.

Wie üblich regnet es die Nacht hindurch und auch noch am Morgen. Meine Schuhe habe ich mit Zeitungspapier ausgestopft, aber gänzlich trocken sind sie noch nicht. Gegen 10:00 Uhr laufe ich bei Nieselregen los, verlasse das Tal und darf wieder einmal eine fast unmenschliche Steigung erklimmen. Etwas später zwängt sich die Sonne durch die Wolken. Heute folge ich ausschließlich meinem Navigationssystem und bereue es nicht, denn ich habe eine leicht hügelige aber abwechslungsreiche Strecke vor mir. Wegen des Regens sind einige Abschnitte recht matschig und glitschig, aber dann folgt ein steiniger Abschnitt.

Auf den abgeernteten Flächen steht das Regenwasser und Wolken und Sonne spiegeln sich darin. Ein Jäger kommt mir entgegen und grüßt freundlich. Auf meine Frage, auf welches Wild er denn aus sei, bedauert er die Situation und meint lapidar, die Kaninchen haben sich bei diesem Wetter im Bau verkrochen und er gehe wohl oder übel heute leer aus. In einem winzigen Geschäft erstehe ich einen Kaffee, ein Croissant und ein paar
Weintrauben. Als ich nach dieser kleinen Pause weitermarschiere, verspüre ich mehr und mehr ein gewisses Jucken am Rücken. Ich kann mir nicht erklären, was das wohl sein kann. Als ich mir dann aber den Schweiß von der Stirne wische, stelle ich dort richtige Beulen fest. Irgendwann kann ich mir im Außenspiegel eines Automobils mein Gesicht betrachten und muß schon darüber lachen. Schnell schlucke ich eine Calcium Tablette und gehe weiter.

Die letzten Kilometer muß ich auf einer vielbefahrenen Landstraße zurücklegen. Der Seitenstreifen besteht aus riesigen Steinplatten und das Laufen darauf wird mehr und mehr zur Qual. Ich bin der Meinung, ich habe meine Muskel und Gelenke nunmehr genügend trainiert, aber dieser Marsch fordert meine Extremitäten erneut. Hinzu kommt, daß ich immer ein wachsames Auge auf den Gegenverkehr haben muß. Schließlich gibt es zwei Gruppen von höchst gefährlichen, portugiesischen Autofahrern: Das sind zum einen Frauen am Steuer; sie ändern die Lenkradstellung um keinen Millimeter und rasen knapp an mir vorbei. Aber die gefährlichste Gruppe sind Frauen am Steuer mit dem Handy am Ohr; sie streifen mit dem Außenspiegel meinen rechten Ellenbogen. Da hilft nur eine Wasserflasche, die ich seitlich von mir in den Verkehr halte.


Langsam nähere ich mich der berühmten Pferdestadt Portugals, Golegã. Ich betrete das Hotel und werde von der Rezeptionistin entsetzt angeschaut. Nein, nicht wegen meiner verschlammten Schuhe, sondern wegen meiner Beulen im Gesicht. Nachdem ich aber glaubhaft versichert habe, es sei wirklich nicht ansteckend, versorgt sie mich mit wundervoll riechenden Salben, die auch meinen zusätzlichen Sonnenbrand lindern.

Wo aber sind denn die Pferde? Nördlich der Stadt habe ich gestern kein einziges Pferd entdecken können. Und auch südliche der Stadt scheint es keine zu geben. Zwischendurch passiere ich zwar große, stattliche Einfahrten zu Gutshöfen, aber Pferde gibt es nur auf den Willkommensschildern vor der Stadt. Ich laufe weiter nach Süden und bleibe erst einmal auf der Nationalstraße N-365 und freue mich an nur vereinzelten Verkehrsteilnehmern. Es ist wieder sonnig und trocken. Ich verlasse mich auf mein Navigationssystem und schlage eine Abkürzungsroute ein. An einem verlassenen Bauernhof sitze ich auf der brüchigen Steinmauer und pausiere. Ein Automobil kommt mir entgegen. Nach einiger Zeit kommt dieses Fahrzeug zurückgefahren, bleibt stehen und ein junges Paar stellt die inzwischen übliche Frage, ob ich nach Santiago wolle. Als ich verneine, lachen wir gemeinsam und sie fahren wieder davon.

Die beiden Männer sehen wild aus. Sie entladen gerade einen zerbeulten Pickup und schauen auf, als ich bei ihnen stehenbleibe. Obwohl ich absolut sicher sein kann, auf dem richtigen Weg zu sein, frage ich die Beiden, ob das der richtige Weg nach Santarém sei, was sie bejahen. Meine Befürchtung, es ginge sehr steil hoch in die Stadt, quittieren sie mit einem breiten Lachen. Ich verabschiede mich und schreite weiter. Links und rechts der Straße breiten sich großflächige Felder aus. Ich kann mir riesigen Beregnungsanlagen aus der Nähe betrachten, weil die Felder schon abgeerntet sind und ich eine weite Sicht habe.

Die Stadt Santarém ist gut zu erkennen, wie sie auf diesem Felsvorsprung thront. Nach einer Stunde sind schon die einzelnen Gebäude zu erkennen. Nach einer weiteren Stunde meine ich die Serpentinen hinauf in die Stadt deutlich ausmachen zu können. Da hält ein zerbeulter Pickup neben mir und die beiden Gestalten bieten mir lachend an, mir die Steigungen zu ersparen. Ebenso lachend bedanke ich mich, werfe meinen Rucksack auf die Ladefläche und klettere in das Fahrzeug. Sie fahren mich die steilen Straßen hinauf ins Zentrum der Stadt und laden mich vor dem Hotel ab.

Der nächste Morgen begrüßt mich mit schönem, sonnigem Wetter. Eine Radrennveranstaltung in der Umgebung bietet ein wenig Abwechslung, auch wenn ich an der einen oder anderen Stelle deshalb einen kleinen Umweg laufen muß. Aber erst einmal muß ich aus der hoch gelegenen Stadt die Serpentine hinunter ins Tal, was mein Knie mit Schmerz quittiert. Sowohl der kaum gekennzeichnete Caminho, als auch mein Navigationssystem und auch die Straßenkarte lassen mir keine große Wahl, ich muß den Großteil der Strecke auf Nationalstraßen gehen. Linkerhand dehnt sich langsam der Fluß Tejo aus und hält die Ackerflächen durchweicht, rechterhand verläuft die Autobahn und dahinter eine Hügelkette. In beiden Fällen zum Wandern wahrlich nicht geeignet.

Felder und kleine Waldstücke weichen nun Industrieanlagen, von denen sehr viele verlassen und teilweise schon verfallen sind. Kleine Orte und Gebäudeansammlung liegen verwaist zu beiden Seiten der Straße. Asphalt und Beton federn meine Schritte nicht mehr ab, und so bemerke ich den Ansatz einer weiteren roten Stelle am meinem Fuß. Ich behandle sie vorsichtig, lege sie trocken, sprühe Pflaster und klebe zusätzlich noch ein Blasenpflaster darauf.

Ohne weitere Probleme und nach ein paar Stunden erreiche ich Cartaxo und suche mir hier, obwohl ich noch weiter laufen könnte, ein kleines Hotel. Aber die nächste Übernachtungsmöglichkeit wäre für heute zu weit entfernt. Auch diese Stadt ist mir in guter Erinnerung, schließlich waren wir hier einmal zusammen in einem großen, überregionalen Ledergeschäft mit sehr ausgefallenen Bekleidungsstücken und Accessoires.

Morgens ist es wieder leicht bewölkt aber trocken. Nach einem Frühstück und einer weiteren Behandlung meiner empfindlichen Stelle am Fuß breche ich auf. Vielleicht sollte ich jetzt mit Sandalen laufen? Es ist mir zu riskant und ich schnüre meine Stiefel. Kaum losgelaufen beginnt es wieder zu nieseln. Aber dann bleibt es doch noch trocken. Mittags zeigt sich sogar die Sonne. Auf der Nationalstraße N-3 mit ihrem breiten Standstreifen ist es schon fast angenehm zu laufen. In Carregada endet diese Nationalstraße und ich biege ab auf die Nationalstraße N-10, die mich jetzt bis nach Lissabon bringen wird. Irgendwann später erreiche in Vila Franca de Xira und finde am Stadtrand sofort ein Hotel. Abends im Restaurant komme ich ins Gespräch mit Falk, dem Thüringer, der gerade die Abfüllanlage der Firma Sagres in der Nachbarschaft umprogrammiert und mir staunend zuhört, während ich von meinen Begegnungen auf dem Pilgerweg erzähle.

Es scheint, daß mein vorletzter Wandertag sich von seiner schönsten Seite zeigen will. Herrliches Wetter zum Wandern, auch wenn ich zwangsläufig wieder die Nationalstraße laufen muß. Kurz vor Alhandra wende ich mich dem Fluß zu und marschiere dicht am Ufer entlang. Das kleine Café neben dem kleinen Fischerhafen hat sich seit meinem letzten Besuch herausgeputzt. Ich lasse mich auf einen Stuhl sinken und gebe meine (damals) übliche Bestellung auf: "Galão e Pão de Leite". Der Kellner schaut mich an, überlegt kurz und stellt fest: „You have been here before, I remember you.“ Nach dieser Pause und mit einem besorgten Blick auf die heranziehenden dunklen Wolken breche ich auf und begleite den Fluß weiter nach Süden, bis ich wieder auf die Nationalstraße mit ihrem Lärm und Gestank abbiege.

Das anhaltende Dahinschreiten auf Asphalt und Beton fordert doch langsam seinen Tribut von meinen Gelenken: Das Knie schmerzt stärker und ich muß öfter kurz anhalten. Von nun an gibt es nur noch Fahrzeuglärm, Flugzeuglärm, Industriegebäude, Chemie- und sonstige Abfälle, und einen lockeren Potpourri aus Gestank, Diesel, Abwässern und anderen undefinierbaren Gerüchen. Ich kenne die Strecke, weil ich früher hier schon mehrmals mit dem Fahrrad und auch dem Motorrad gefahren bin. Deshalb schrumpfen die Kilometer für mich auf seltsame Weise zusammen und am späten Nachmittag bitte ich einen Passanten, mich vor dem Ortsschild von Sacavém zu fotografieren, dem ersten Vorort von Lissabon.



Ich laufe auf den mir allzu bekannten Straßen und Wegen hinunter zum Beginn der Brücke Ponte Vasco da Gama, dann weiter zum Expo-Gelände und dann parallel zum Fluß Tejo bis zum Shopping Center Vasco da Gama und hinüber zum Hotel Tivoli Tejo in Lissabon, am Bahnhof Gare do Oriente.

Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen und marschiere am nächsten und letzten Tag vom Hotel am Expo-Gelände zum Terminal 1 am Flughafen. Von meinem Fensterplatz aus schaue ich später so lange es möglich ist hinunter auf Lissabon und danach auf den Caminho, den ich in den zurückliegenden vier Wochen gemeistert habe.

© OScAR 2012 (Stark verkürzte Ausgabe)



Mittwoch, 21. März 2012

NilToleranz


Womit und wohin und wann auch immer man sich fortbewegt, von allen Teilnehmern um einen herum erfährt man jederzeit ein hohes Maß an Toleranz. Man hupt sein "Dankeschön" und erntet ein gehuptes "Bitteschön". So einfach funktioniert das, solange eine Hupe zur Hand; ob am Auto, am Motorrad, am Fahrrad, am Nilboot, an einer Pferdedroschke oder einem Eselskarren. Fußgänger und Esel bilden da jedoch die Ausnahme.

Überraschenderweise gleichen die mir weltbekannten Verbotsschilder, also rund mit rotem Rand und einem durchgestrichenen Symbol, den hiesigen Gebotsschildern.

Beispiel: Hupe. Es ist das erste Verkehrszeichen am Straßenrand direkt nach Verlassen des Flughafengeländes. Mein Taxifahrer nimmt es sehr genau und beginnt sofort sein individuelles Hupkonzert, kaum daß er dieses Zeichen passiert; erst vor dem Hotel legt er eine Huppause ein.

Beispiel Überholen. Mein Taxifahrer überholt gebotsmäßig an nach meinem Gefühl völlig ungeeigneten Stellen, und es verdichtet sich bei mir der begründete Verdacht, daß man diese Schilder nicht sehr genau nimmt oder schlichtweg falsch plaziert hat.

Dazwischen hat er auf seinem Weg jeden einzelnen Verkehrsteilnehmer exakt drei Mal hupenderweise begrüßt: Bei Annäherung, direkt hinter ihm, und während des Passierens. Alle beteiligen sich an diesem vielstimmigen Konzert. Motorräder scheinen sogar eine Hupenweiterentwicklung ein- oder angebaut zu haben, denn diese hupen kontinuierlich, stakkatoartig, oder auf- und abschwellend, solange sie rollen.


Mein Taxifahrer fährt wie jeder andere Verkehrsteilnehmer auch in der Dunkelheit grundsätzlich ohne Beleuchtung. Die Innenraumbeleuchtung sei hier nicht eingeschlossen. Hat er das Gefühl, daß ein Fahrzeug entgegenkommen könnte, blendet er kurz auf, um sich zu vergewissern und um sich selbst kurzzeitig bemerkbar zu machen; der Entgegenkommende folgt seinem Beispiel. Danach fährt jeder wieder im Dunkeln. Auf meine Frage, weshalb man auf Licht während des Fahrens verzichtet, lerne ich einmal mehr etwas über Toleranz im Straßenverkehr: Mit meinem Licht verärgere ich eventuell den Gegenverkehr, ist seine verblüffende Erklärung.

Wir überqueren den Staudamm auf einer ziemlich schmalen Straße. Im Dunkeln. Und damit sich Entgegenkommende orientieren können, wie breit das eigene Fahrzeug ist, wird kontinuierlich von allen Fahrern jeweils links geblinkt. Im Dunkeln.

Die meisten Straßen zeigen sich in schlechtem Zustand: Löcher, in denen Zwei- und Vierbeiner verschwinden könnten; Steinansammlungen und wilde Absperrungen verhindern das Schlimmste; Straßensperren und fahrgestellzerlegende Schweller tauchen nicht nur im Dunkeln ohne Vorwarnung auf und zwingen zu einem Schleichtempo und manchmal zu einem kurzen Stillstand; Schnellstraßenauf- oder Abfahrten sind sehr beliebte Versammlungs- und Parkplätze; schnell ist ein Wasserkocher in Gang gesetzt und der süße Tee vertreibt die Wartezeit. Auf was man dort auch immer warten mag.


Mehrmals gehe ich an diesem Verkehrszeichen vorbei, das wohl einen Kreisverkehr ankündigen soll. Blauer Rand und drei Pfeile ringförmig angeordnet. Nachts ist es beleuchtet und die drei Pfeile sind sogar animiert. Und wieder stehe ich davor und frage mich, was so auffällig an diesem Zeichen zu sein scheint. Nach einer Weile habe ich entdeckt, daß diese drei Pfeile im Uhrzeigersinn angeordnet und auch animiert sind! Also ist der Kreisverkehr links herum zu befahren. Oder?

Ob im Kreisverkehr oder auf normaler Straße, man begegnet immerzu Mitmenschen auf Abwegen, die Nachsicht voraussetzen und auch erwarten können. Jeder manövriert sich so gut er kann hindurch. Die einzige Karambolage sehe ich auf einer kürzlich ausgebauten Straße, denn dort ist ein Minibus in einen der Krater gefallen und hat sich das Vorderrad abgerissen.


Bei Dunkelheit erstrahlen Motorräder in besonderem Schein. Die Rücklichter blinken in allen Farben und Rhythmen um die Wette, die Vorderpartien dagegen sind Ausdruck höchster Individualität: Rote Lampen, grüne Umrahmungen, blaue Warnblinker, bunte Weihnachtsbäume, aber keine normalen Scheinwerfer. Das vordere Nummernschild steckt lose an der Gabel.

3-4 Passagiere auf einem Motorrad ist der normale Anblick; eine komplette Familie sehe ich auch, wobei die Mutter im Damensitz noch ein Baby unter ihren Arm klemmt. Auch ein Sozius, der eine riesige Glasscheibe aufrecht und gegen den Fahrtwind balanziert. Nicht zu vergessen der Motorradfahrer mit den überlangen Rohren auf seiner Schulter. Oder eine Ladung Fladenbrot, die ein Fahrradfahrer auf seinem Kopf gemütlich durch das Verkehrs- und Fußgängergewühl manövriert.


Aus der Entfernung betrachtet gleicht der Straßenverkehr dem Gewirr einer Ameisenkolonie; jeder bewegt sich in seine gewünschte Richtung und toleriert die anderen Teilnehmer, toleriert deren Wege, deren Transportprobleme und deren Art der Fortbewegung. Nach einem Tag des Beobachtens wage ich schließlich, mit geschlossenen Augen die vielbefahrene Straße zu überqueren...und würde unbeschadet auf der anderen Seite ankommen, wenn da nicht dieses Loch im Pflaster wäre...Autsch!

© OScAR 2012.

Donnerstag, 18. August 2011

Polizeikontrolle

Ich bin wieder einmal im Auto unterwegs, als meine Steuerberaterin anruft. Wenn sie spricht, dann spricht sie erfahrungsgemäß lange. Ich stelle mich also darauf ein. Und dann habe ich die Autobahn schon seit Minuten verlassen, aber sie spricht noch immer.

Plötzlich erspähe ich weiter vorne einige Polizeistreifen am Straßenrand in offensichtlicher Warteposition. Geistesgegenwärtige würge ich die Stimme am Handy ab und schiebe das Gerät auf den Sitz und unter meinen Oberschenkel. Gut so, denn man winkt mich Unschuldigen doch tatsächlich aus dem fließenden Verkehr heraus.

„Allgemeine Fahrzeugkontrolle. Ihren Führerschein und Fahrzeugschein, bitte.“

Diese beiden jungen Blondinen in Uniform und wegen der schußsicherer Weste etwas zu füllig für meinen Geschmack blicken sehr amtlich auf mich. Ich will eigentlich lustig sein und die Situation etwas auflockern und sage: "Nur unter der Bedingung, daß Sie nicht wegen des alten Fotos in meinem Lappen lachen!" Keine von den beiden Polizistinnen kann bisher überhaupt lachen.

"Haben Sie ein Handy?" Ich verkneife mir die nächste lustige Bemerkung.
"Ja" ist meine knappe und korrekte Antwort.
"Sie haben während des Fahrens telefoniert!"
"Das kann überhaupt nicht sein!“
"Ein Kollege hat Sie weiter vorne mit Handy am Ohr erspäht.“

Ich versuche einen schnellen aber unauffälligen Blick zu meinen Oberschenkeln zu erhaschen, doch die aufmerksame Polizistin verfolgt jede meiner Bewegungen.

Ich gebe vor, einen längeren Augenblick angestrengt nachzudenken, und melde mich bei den beiden Blondinen wieder mit den Worten: "Ich schlage vor, ich zeige Ihnen auf meinem Handy, daß ich eben gerade nicht telefoniert habe.“ Beide gehen auf diesen Vorschlag ein. Also schnalle ich mich ab und greife umständlich nach meinem Gürtel, klappe dort eine Handytasche auf, fingere nach einem Handy und versuche recht umständlich die Tastatur zu entsperren. Schnell läßt sich Blondine Aufmerksam das Gerät übergeben, klickt ebenso rasch auf ein paar Knöpfe und staunt über die absolut leere Anrufer- und Empfängerliste.

"Sie haben die Listen gelöscht!" Da meldet sich die zweite Blondine zum ersten Mal zu Wort. "Claudi, er kann unmöglich in der Zwischenzeit beide Listen gelöscht haben."

Polizeimeisterin Aufmerksam schaute ärgerlich drein, schaute immerzu auf meine Oberschenkel, aber da liegt gerade meine Brieftasche. Beide Oberschenkel muß ich deshalb zusammen pressen, damit die Papiere nicht herunterfallen. Und ich habe in diesem Moment keine Ahnung, ob man mein dort verstecktes Ersthandy sehen kann. Und es ist ein weiterer glücklicher Moment, daß ich in diesem Moment ausnahmsweise einmal nicht angerufen werde und auch mein Handy-Wecker zur Tabletteneinnahme noch ein paar Minuten zögert.

"Entschuldigen Sie, war wohl eine Verwechslung."
"Ich würde doch niemals während des Fahrens telefonieren, meine Damen...“

© OScAR 2011.

Dienstag, 2. August 2011

Taube auf dem Dach

Ein Stau bremst uns zum Schrittempo. Die Autofahrer machen es sich wie ich in den Kolonnen bequem und rücken nach und nach weiter. Mal im Schrittempo, mal etwas flotter für ein paar wenige Meter.

Will diese Taube nicht etwas schneller über die Autobahn fliegen? Sie kreist über dem Fahrzeug vor mir gleich einem Hubschrauber, der auf einem sich in Fahrt befindlichen Flugzeugträger landen will. Und obwohl wir langsam vorwärts rollen, kreist diese Taube weiterhin über dem Fahrzeug. Nun ja, Geschmack scheint sie zu haben, denn sie hat sich einen dickeren Mercedes ausgesucht.

Während wir noch immer rollen, setzt sie zum endgültigen Landeanflug an und landet tatsächlich auf dem Autodach. Ich schaue mich schnell einmal um. Die anderen Autofahrer haben ebenfalls diese Landung beobachtet und beobachten interessiert und lächelnd diese Taube auf dem Dach.


Sicherlich werden gerade Wetten abgeschlossen, wie lange sie sich dort halten kann, und sehnsüchtig wird das Ende des Staus herbeigesehnt, denn dann wird es erst interessant werden.

In der Zwischenzeit wandert die Taube von einer Dachseite zur anderen, pickt in der Dachrinne, wandert wieder zurück, pickt auf der anderen Seite. Zwischendurch flattert sie etwas stärker im Fahrtwind, weil der Flugzeugträger kurzzeitig etwas Fahrt aufgenommen hat. Doch weiterhin scheint das Dach ein gedeckter Tisch für sie zu sein.

Der Autofahrer muß etwas bemerkt haben. War es das Tippeln der Taubenfüße auf dem Dach? Nun ja, so ein dicker Mercedes ist zwar bestens geräuschgedämmt, aber das Tippeln einer Taube auf dem einem Mercedesdach wurde bei der Konstruktion sicherlich glatt vergessen. Also öffnet der Fahrer das Fenster, streckt seinen Arm heraus und schlägt auf sein eigenes Dach. Da hebt die Taube erwartungsgemäß blitzschnell ab und verschwindet aus unserem Blickfeld.

Das Stauende ist noch lange nicht in Sicht.

© OScAR 2011

Dienstag, 12. April 2011

Nordwest-USA und West-Kanada


Natur pur. Das wollten wir erleben und machten uns auf in den Nordwesten der Vereinigten Staaten. Und weil uns die ausgedachte und ausgearbeitete Route so nahe an die Grenze zu Kanada bringen sollte, wollten wir gleich noch ein gutes Stück kanadische Wildnis konsumieren. Zum ersten Mal im Leben mit einem dieser etwas zu groß geratenen Wohnmobile über Landstraßen und durch kleine und große Orte kutschieren, die Natur sehen und erleben, hinter jeder Biegung überrascht werden von neuen Eindrücken, das war unser Ziel. Und tatsächlich sind wir überrascht worden. Die Staaten sowohl in den USA als auch in Kanada haben sich unterschieden von den Bildern, die wir vor unserem geistigen Auge hatten, begründet durch Erzählungen, Filme oder Bücher, oder einfach unsere Vorstellung, die man mit Namen wie Montana oder Wyoming verbindet. Jeder für sich.

Der Flug von Frankfurt zur Westküste der USA ist lang. Sehr lang. Ankunft in Seattle war der 15. August am späten Abend und wir waren froh, daß wir ein Hotelzimmer nahe am Flughafen reserviert hatten. Mit einem Mietwagen fuhren wir zum Hotel, obwohl wir zu Fuß schneller dort gewesen wären als mit dem Wagen. Den darauf folgenden Vormittag nutzten wir, um aus Seattle hinauszufahren und uns so rasch wie möglich nach Everett zu begeben, um am Mittag das Wohnmobil dort zu übernehmen. Außerdem nutzten wir die Zeit sinnvoll und tätigten die ersten Einkäufe. Auf diese Weise verloren wir später keine Zeit. Das Ende der Rundreise war am 2. September, denn am 3. September mußte das Wohnmobil wieder in Everett abgegeben werden. Gesäubert, geputzt, aufgetankt. Mit einem vorbestellten Mietwagen fuhren wir dann von Everett zurück nach Seattle in das wieder vorbestellte Hotel. Den Mietwagen gaben wir noch am gleichen Abend am Flughafen ab und nutzen am nächsten Morgen den Hotelbus zur Fahrt zum Flughafen.


Der Umgang mit dem Wohnmobil ist denkbar einfach. Zu Beginn muß man sich schon auf die Länge und vor allem auf die Breite dieses Gefährts einstellen. Aber hat man einmal den Blick dafür gewonnen, können höchstens noch Äste abseits der Straße dem Aufbau gefährlich werden. Um die Landschaft zu genießen und vor allem um auch als Fahrer genügend von der Landschaft mitzubekommen, ist eine Geschwindigkeit von 80km/h das richtige Tempo. Hier und da hätten manche Trucker auf dem einen oder anderen der vielbefahrenen Highways sicherlich gerne von hinten geschoben, aber mit einem Wohnmobil ist man schließlich nicht auf der Flucht. Die Benzinuhr im Auge und die Benzinpreise an den Tanksäulen im Blick verleiten da ohnehin zum sparsamen Fahren.

Ein Wohnmobil, das laut Prospekt für 2 Erwachsene und 2 Kinder angepriesen wird, ist in Wahrheit für 2 Erwachsene dimensioniert. Das Platzangebot reicht gerade aus, sei es beim Schlafen, beim Essen, oder bei dem Versuch Ordnung zu halten. Auch sollte man nicht vergessen, daß man sich den engen Raum auch beim Fahren und Wohnen und für mehrere Stunden am Tag mit jedem Mitfahrer teilen muß.

USA: Bundesstaat Washington

Der immergrüne Staat. Riesige Wälder bedecken das Land, Lavafelder, Höhlen und majestätische Berggipfel zieren den Anblick. Neben Salamandern, die gerne und gut 30 cm erreichen, und 300 Pfund schweren Tintenfischen zählen Douglas Tannen, die eine Höhe von 200 ft. erreichen, zu den Attraktionen. Die Geschichte der Indianer reicht über tausend Jahre zurück und viele Städte tragen die Namen der Indianerstämme: Chinook, Colville, Nooksack, Okanogan, Puyallup, Quinault, Spokane, Walla Walla und Yakima. Washington verdankt seinen heutigen Ruf einzig und alleine einem Ereignis: Dem Klondike Gold Rush von 1897. Eine gute Nachbarschaft mit Kanada entstand, als Heerscharen von Goldsuchern in die Wildnis zogen, um ihr Glück zu machen. Heute zieht es Sportler, Wanderer und Natursuchende nach Washington.


Seattle
Eingebettet zwischen den Olympic Mountains im Westen und den vulkanischen Bergspitzen der Cascade Range im Osten liegt die Stadt zudem noch am Pudget Sound und dem Lake Washington. Häufiger Regen und Nebel sorgen auf angenehme Art dafür, daß die Stadt und die Umgebung grüner ist als vergleichbare andere Städte des Landes. Wie Rom wurde auch Seattle auf sieben Hügeln errichtet. Obwohl Schifffahrt dort schon früh betrieben wurde ist Seattle recht spät besiedelt worden. Die ersten Familien kamen ca. 1851 dort an und ließen sich am Alki Point nieder. Doch ziemlich schnell verlegte man die Siedlung an einen weniger dem Wind ausgesetzten Ort und nannte ihn nach einem Häuptling der Duwamish und Suquamish Indianer. Der Häuptling Sealth erhielt dafür einen Betrag von $16.000 für die Verwendung seines Namens. Schnell expandierte der Ort durch erfolgreiche Holzwirtschaft, Holzsägewerke und den natürlichen Hafen. Als dann später noch die Pelztierjäger und Goldgräber hinzukamen, wuchs die Stadt unaufhörlich. Leider waren die Männer in einer solchen Überzahl, daß im Jahre 1865 der Gründer der Universität nach Osten zog und dort 11 junge und anständige Damen überredete, ihm nach Seattle zu folgen. Später kamen noch einmal 57 Frauen hinzu. In einem großen Feuersturm in 1889 wurde die aus Holz gebaute Stadt vollständig zerstört. Daraufhin wurden mehr Steine, Stahl und Beton verwendet, um die Stadt schnell wieder auferstehen zu lassen. Um 1893 erreichte die erste Eisenbahntrasse die Stadt und der Schiffshandel mit dem Orient entwickelte sich günstig. Ein noch größerer Wachstumsschub setzte 1897 mit dem Klondike Gold Rush ein, weil die Goldgräber von Seattle aus ihr Abenteuer begannen. Zwischen 1890 und 1910 versechsfachte sich die Einwohnerzahl. Man erweiterte das Stadtgebiet, schüttete Flachland auf und ebnete Berghänge. Die erste Alaska-Yukon-Pacific Exhibition fand im Jahre 1909 statt. Das moderne Seattle aber entstand erst in 1962 mit der Century 21 Exposition.

Grenzübergang nach Kanada
Nur die nach Kanada Einreisenden werden überprüft. Wir aus Deutschland müssen sogar in das Zollgebäude und müssen die gesamte Einreiseprozedur über uns ergehen lassen. Gegen Gebühr, natürlich. Ab jetzt wird die Entfernung in Kilometern gemessen und angegeben.

Kanada: British Columbia

Als im Jahre 1842 James Douglas an Vancouver Island entlang segelte und dorthin kam, wo sich heute Victoria befindet, berichtete er: "Der Ort selbst sieht aus wie ein perfekter Garten Eden, und er scheint wie aus den Wolken gefallen zu sein." Das waren prophetische Worte des späteren Governeurs von British Columbia. Besonders anmutig ist das Okanogan Valley, das einerseits sonniges Wetter, sandige Küstenstreifen, wunderschöne Hügellandschaften und Weinberge anbietet. Besucher erfreuen sich der Bergwelten, der Gletscher, und auch der Grizzlys im Gebiet zwischen Mount Revelstoke und dem Glacier National Park und der blubbernden Radium Hot Springs. Die Rocky Mountains und die Cascades Ranges, Täler, Flüsse, Seen und die Pazifikküste sind das Markenzeichen für eine Naturschönheit in Kanada.


Mission
Der Ort wurde 1861 als eine römisch-katholische Mission gegründet und war ein gern besuchter Platz für Pelzjäger, Siedler und andere Flußfahrer. Der Fraser River bietet Wassersportlern ein reichhaltiges Angebot für Schwimmen, Angeln und Wassersport. Von März bis Oktober finden regelmäßig Bootsrennen auf dem Mission Raceway an.


Hope
Die Ureinwohner lebten hier schon vor Tausend Jahren. Simon Fraser kam in diese Gegend, als er nach einem Wasserweg zum Westen suchte. Die Hudson's Bay Company unterhielt hier im Jahre 1848 ein Fort. Zehn Jahre später schoß eine ganze Stadt aus dem Boden, als der Goldrausch begann. Heute ist Hope wieder ein kleiner Ort. Doch hin und wieder geht es sehr lebhaft zu, wenn Hollywood wieder einen neuen Film hier drehen läßt. Dann wird der Ort gerne das "Hollywood des Nordens" genannt.

Kettle Valley Route: Die Hauptattraktion ist der Coquihalla Canyon mit den Othello-Quintette Tunnels. Die aufgegebenen Eisenbahntunnels sind ebenfalls Orte für berühmte Filmaufnahmen.

Hope Slide: Abstecher zum Hope Slide (ca. 22 Meilen auf dem PH3), der 1965 beim Abbruch eines Berges entstanden ist. 46 Mio Kubikmeter Gestein stürzten damals ins Tal. Am 9. Januar 1965 zerbrach der Johnson Peak und schickte tonnenweise Felsbrocken, herausgerissene Bäume und Schlamm direkt auf die darunter liegende Landstraße. Wegen einer kleineren Schneelawine, die kurz vorher abgegangen war, stoppten drei Fahrzeuge auf der Straße und wurden unter der Gesteinslawine begraben. Diese füllte das Tal der Nicolum Creek bis zu 61 m hoch und begrub den gesamten Outram Lake unter sich.

Yale
Yale wurde durch Gold einst die größte Stadt westlich von Chicago und nördlich von San Francisco. Die Stadt war aber auch die erste, die als Handelspunkt der Hudson's Bay Company in British Columbia gegründet wurde. Und die Jahre des Goldrauschs ab 1858 machten aus Yale einen der wichtigsten Terminals für die Raddampfer. Außerdem war die Stadt eine der größten Arbeitscamps während des Baus der Canadian Pacific Railway. Nur wenige Meilen nördlich von Hope bildete Yale den Endpunkt der Flußschifffahrt auf dem Fraser River. Hier begann die berühmte Cariboo Wagenstraße, die, auf Stelzen und aus Holzbohlen, gefährlich an die Felswände des Canyons geklebt waren. Nach dem Bau der Eisenbahnlinie verlor der Ort an Bedeutung; nur ein paar alte Gebäude und eine Gedenktafel erinnern an seine Glanzzeit.

<> Eine kleine Holzkirche und ein Museum


Boston Bar
Der Ort begann als Goldgräberstadt und wurde nach einem Holländer benannt, der 1860 aus Boston anreiste. Viele Schiffe brachten damals direkt aus Boston Goldgräber und Spekulanten, die von den Eingeborenen "Boston Men" genannt wurden.

Hell's Gate
Liegt ein paar Kilometer weiter linkerhand. Zu besuchen sind die Hell's Gate Airtram und die Hell's Gate Fishways. Etwas südlicher überquert die Eisenbahn den Fraser River Canyon an der engsten Stelle. Hier haben wir unser erstes Lachssteak genossen, mit Blick auf den reißenden Fluß in seinem engen Bett.

Lytton
Der Ort liegt am Zusammenfluß vom Fraser River und dem Thompson River. Die einheimischen Indianer ernteten früher tonnenweise den Lachs aus beiden Flüssen. Während des Goldrauschs entwickelte sich der Weg entlang des Fraser River zum Hauptverbindungsweg in die Goldfelder. Die Stadt bezeichnet sich heute als die "Rafting Capital of Canada" und hat angeblich das wärmste Klima im Lande.

Nicola
Es ist nicht nur der Nicola River, sondern auch die Stadt, der See, das Tal, das Geschäft, die Straße, die alle diesen Namen tragen. Die Fahrt führt entlang des Nicola Lake linkerhand, bringt uns dann aber recht schnell in eine einsame Gegend mit wenigen Bauernhöfen und viel Natur pur.

Kamloops
Im Jahre 1812 wurde der Ort als North West Co. Depot gegründet und wurde später ein Posten der Hudson's Bay Company. Er liegt am Zusammenfluß des nördlichen und des südlichen Thompson River in den Kamloops Lake und ist benannt nach dem indianischen Namen cumcloups, was "The Meeting of the Water" heißt. Während des Goldrauschs in den 1860er Jahren trafen die Goldsucher auf dem Wasserweg über den nördlichen Thompson River hier ein. Mit Ende dieser Ereignisse entwickelte sich die Stadt zum Mittelpunkt der Rinder- und Schafzucht. Ebenfalls bedeutend ist der Holzhandel der Gegend.

<> Kamloops Art Gallery <> Kamloops Heritage Railway <> Kamloops Museum and Archives <> Secwepemc Museum and Heritage Park

Sicamous
Wassersport ist die große Attraktion dieses Ortes, der zwischen dem Mara Lake und dem Shuswap Lake gelegen ist. Im nahegelegenen Adams River legen jedes Jahr im Oktober ca. 10 Millionen Lachse ihre Eier ab und machen diese Gegend zu einer der größten Laichgebiete im Lande.

Wir überqueren den mächtigen Columbia River. An sich führt er im Moment wenig Wasser, doch läßt sich erahnen, welche tosenden Wassermassen im Frühjahr nach der Schneeschmelze durch dieses von Geröll bedeckte Flussbett brechen werden.

Revelstoke
Die Stadt liegt am westlichen Ende des Rogers Pass, der durch den Glacier National Park führt und liegt eingebettet zwischen den Monashee Mountains und den Selkirk Mountains. Die Altstadt ist prächtig restauriert worden und lohnt eine Pause.

<> Enchanted Forest <> Revelstoke Railway Museum <> Three Valley Gap Heritage Ghost Town <> Revelstoke Dam

Mount Revelstoke National Park
An der Westseite der Selkirk Range liegt dieser Park, der scharfkantige Berge, dichte Wälder und Blumenwiesen zu bieten hat. Gletscher-Erosionen und heftige Regenfälle haben tiefe Spuren in den Berghängen hinterlassen. Noch im Juni sind die meisten Berghänge tief verschneit, lassen dann aber Bergbäche und Seen entstehen. Im unteren Bereich leben Hirsche neben Karibus und Grizzlys, und die meisten Vogelarten sind hier zu Hause.

Glacier National Park
Neben dem Mount Revelstoke National Park ist dieser Park der kleinere Bruder in den zerklüfteten Columbia Mountains. Fels, Eis und Schnee bestimmen das Bild dieser Landschaft. Dramatische Ereignisse bestimmten den Alltag während des Eisenbahnbaus im 19ten Jahrhundert. 31 Schneehütten wurden errichtet, um die Eisenbahnlinie zu sichern, doch das half nichts, als im Jahre 1910 beim Versuch eine Lawine zu räumen
58 Männer ums Leben kamen. Ebenfalls bedingt durch Eis und Schnee wurden ältere Streckenabschnitte aufgegeben, neue gelegt, doch letztendlich entschloss man sich, einen Tunnel unter den Mount MacDonald zu graben. 12% des Parks sind kontinuierlich von Eis und Schnee bedeckt und mehr als 400 Gletscher sind auf dem Gebiet verstreut.


Golden
Der Ort liegt am Zusammenfluß des Columbia River und dem Kicking Horse River. Außerdem ist der Ort Ausgangspunkt für den Glacier National Park, den Yoho National Park und den Banff National Park.

Yoho National Park
Das Wort yoho ist in der Sprache der Cree Indianer Ausdruck für Überraschung. Im Jahre 1848 wurden die Gleise der Canadian Pacific Railway über den Kicking Horse Pass gelegt, der von Sir James Hector während seiner Suche nach einem Transportweg durch die Rocky Mountains entdeckt wurde. Zwischen Juni und September, wenn das Wetter es zuläßt, kann man über die Yoho Valley Road die 13 Kilometer durch den Park fahren.

<> Takakkaw Falls: In der Sprache der Cree Indianer ein Ausdruck für "phantastisch"; das Wasser fällt hier 380m tief <> Natural Bridge <> Emerald Lake <> Wapta Falls
<> Spiral Tunnels: Ein besonderes Schauspiel bietet sich hier für Eisenbahnfans: Weil die Steigung für die Eisenbahn zu hoch war, haben Ingenieure im Jahre 1909 zwei Tunnel hintereinander kreisförmig in den Fels gehauen, so daß beide eine schrägliegende Acht beschreiben. Auf diese Weise wurde die Steigung zum Big Hill von 4,5% auf 2,2% reduziert. Mit etwas Glück kann man gleichzeitig zwei Züge bei der offenliegenden Überschneidung sehen.

Kanada: Alberta

Alberta ist bei weitem die sonnigste Provinz in Kanada, bedingt durch die kanadischen Rocky Mountains, die feuchte Pazifikwinde einfach blockieren. Andererseits aber spiegelt der Staat die typischen Bilder wider, die man allenthalben vom Wilden Westen haben mag. Viele ethnische Gruppen prägen nachhaltig das Gesamtbild heutzutage, wobei auch nicht zu vergessen sind die Cree und Blackfoot Indianer, die sich heftige Kämpfe einst lieferten. Überreste prähistorischer Saurier sind im Red Deer Valley zu bestaunen, sowie Felszeichnungen und versteinerte Bäume.


Banff National Park
Der Park ist Kanadas ältester National Park. Anzeichen deuten daraufhin, daß die Gegend vor 11.000 Jahren schon bewohnt war. Siedlungen der Assiniboine, Blackfoot, Cree, Kootenay und Stoney sind ebenfalls entdeckt worden. Die ersten europäischen Entdecker trafen nicht vor 1800 und deren Streitereien um die abbaubaren Ressourcen führte dazu, daß der Gouverneur schon in 1885 diesen Park einweihte. Die unteren Bereiche des Parks sind stark bewaldet und die höheren Bereiche sind entweder ohne Bewuchs oder eisbedeckt. Eine Vielzahl von Tierarten sind hier beheimatet. Der Fischreichtum der Seen ist sprichwörtlich, jedoch kommt es immer wieder vor, daß Seen bis zum Grund hinab einfrieren und so jedes Leben ersticken.

<> Banff Park Museum National Historic Site
<> Banff Sulphur Mountain Gondola Lift
<> Banff Upper Hot Springs
<> Buffalo Nations Museum
<> Vermilion Lakes und Johnston Canyon im Westen
<> Hector Lake, Bow Lake, Peyto Lake und Bow Summit im Nordwesten
<> Bow Falls im Süden
<> Mount Norquay, Lake Louise, Moraine Lake und Valley of the Ten Peaks im Nordwesten

Lake Louise
Dieser Retortenort ist überschaubar und sauber. Wandern und Wintersport ist hier ganz groß geschrieben, aber auch im Sommer kommt man auf seine Kosten, denn eine der Sessellifte bringt die Besucher auf halbe Höhe. Von dort hat man einen wunderschönen Ausblick auf die Berge und den Lake Louise. 14 Minuten dauert die Fahrt hinauf auf 2.088m in einer entweder offenen oder geschlossenen Gondel.

<> Lake Louise
<> Moraine Lake liegt 14 Kilometer südlich

Jasper National Park
Den Jasper National Park erreicht man aus dem Süden über den Icefields Parkway, dem Hwy. 93, von Ost oder West über den Yellowhead Highway, dem Hwy. 16. Der Park wurde im Jahre 1907 eingerichtet und ist nach Jasper Hawes benannt, der in den frühen 1800er Jahren den Handelsposten der Hudson's Bay Company führte. Der Park ist weniger entwickelt und auch weniger besucht als der Banff National Park im Süden, bietet aber ebenfalls majestätische Berggipfel der Rocky Mountains. Eine Vielzahl von Seen bezaubern durch ihre Unterschiedlichkeit und Schönheit, der bekannteste ist wohl der größte der Seen, der Maligne Lake. Bergziegen und Bighorn Schafe bevölkern die oberen Regionen des Parks. Hirsche, Elche, Bären, Wölfe, Koyoten und Raubkatzen sind jederzeit in den unteren Regionen zu finden.

<> Die Athabasca Falls und die Sunwapta Falls demonstrieren die Kraft der Natur
<> Columbia Icefield
<> Jasper Tramway
<> Jasper-Yellowhead Museum and Archives

Für die nächsten Tage ist die PH93 die einzige Straße sein, die uns nach Norden zu dem Ort Jasper und damit zum nördlichen Ende des Nationalparks bringt. Anschließend rollen wir die gleiche Strecke, von einer kleinen Ausnahme abgesehen, wieder nach Süden. Spätestens auf der Rückfahrt zeigen sich die Vorteile, denn der Nationalpark zeigt aus unterschiedlicher Perspektive und zu unterschiedlicher Tageszeit seine Schönheit. Auf keinen Fall ist die Fahrt langweilig, wenn man befürchtet, sich schnell an der Natur, an den Flüssen, Tälern und Bergen satt gesehen zu haben.


Columbia Icefield
Schon aus großer Entfernung kann man diesen in unseren Augen riesigen Gletscher linkerhand erkennen. Spätestens aber dann, wenn die hochbeinigen Geländebusse auf überdimensionalen Reifen die Straße kreuzen. Wir folgen diesen Bussen und fahren auf einen Parkplatz, etwa halbe Strecke zum Gletscher. Die ersten Markierungen beim Verlassen der Straße lassen uns aufmerken, denn diese Markierungen tragen lediglich Jahreszahlen, so 1907 die erste direkt an der Straße. Aber wir müssen noch lange fahren und später einige Hundert Meter laufen, bis wir an den Rand des Gletschers gelangen. Die Felsen, an denen wir vorbeilaufen, lassen tiefe Schleifspuren erkennen, die entstanden sind, als der Gletscher sich vorwärts bewegte und die mitgeschleppten Steine diese Spuren einkratzten. Die Jahreszahlen zeigen überdeutlich, daß der Gletscher auf einem schnellen Rückzug ist. Selbst wenn man vor dieser riesigen Eisplatte steht, hat man keine Angst vor der Vorwärtsbewegung, sondern Mitleid überkommt einen, wenn man das Getöse des Tauwassers hört, das auf der Unterseite literweise abtröpfelt und als reisende Bäche seitlich davonschießt. Jeden Morgen wird ein Pfad abgesteckt, auf denen mutige Touristen den Gletscher ein paar Meter abgehen können. Tiefe Eisfurchen fordern eine gewisse Aufmerksamkeit, und Warnschilder machen deutlich, daß noch heute Unvorsichtige in solche Rillen und Furchen fallen oder rutschen können, und daß denen bei eiskaltem Wasser nur selten schnell geholfen werden kann. Der Gletscher ist ca. 325 km2 groß und wird von Schnee und Eis aus den hohen Bergen gespeist. Ein großer Teil des Schmelzwassers fließt in den Athabasca River.

Sunwapta Falls
Ein paar Meter vom Parkplatz entfernt bietet sich ein großartiger Blick auf den Wasserfall. Ein etwa 4km langer Rundweg führt zu den unteren Fällen.

Athabasca Falls
Ein kurzer Weg führt zu dem Wasserfall, der nicht ungefährlich ist; einige Besucher sind über das Geländer gestiegen und sind tödlich abgestürzt.

Die Fahrt führt wieder zurück durch den Jasper National Park nach Süden. Diesmal nehmen wir die PH93 und fahren am Athabasca River, Sunwapta River und North Saskatchewan River entlang. Die Fahrt führt weiter auf der PH93 nach Süden, entlang dem Mistaya River und Bow River.

Kanada: British Columbia

Kootenay National Park
Über den Banff-Windermere Highyway reist man aus den Rocky Mountains heraus in westliche Richtung und folgt dem Vermilion River Valley und dem Kootenay River Valley über ca. 60 Meilen. Geologisch ist dieser Nationalpark höchst interessant, beherbergt er doch einige Besonderheiten, wie zum Beispiel die heißen Quellen von Radium Hot Springs (siehe unten) und die kalten Quellen um Paint Pots. In Radium Hot Springs versickert normales Regenwasser durch Erdrisse in den Untergrund und wird dort aufgeheizt und an die Oberfläche gepresst. Um Paint Pots herum tritt eisenhaltiges Grundwasser zutage und überzieht die Quellen mit farbigem Überzug. Die Blackfoot, Stoney und Kootenay Indianer verwendeten diesen Schlamm, um sich selbst, ihre Pferde und ihre Zelte zu bemalen. Auch wurden Felsenmalereien damit verschönert. Klimatisch gesehen ist der Nationalpark zweigeteilt: auf der einen Seite spürt man die Feuchtigkeit des Küstenklimas, auf der anderen mehr südlichen Seite bietet das wärmere und trockenere Klima gerade im Winter den Bären, Bighorn Schafen, Elchen und Ziegen ideale Überlebensbedingungen.

Radium Hot Springs
Natürlich fehlt hier nicht der überdimensionale Swimming Pool mit natürlich aufgewärmtem Wasser gleich am Ortseingang. Aber der Lärm und die vielen Touristen treiben uns weiter. Nachdem wir den Ort verlassen haben und bergauf gefahren sind, halten wir kurz an, um einen atemberaubenden Blick auf das Tal unter uns zu werfen.

Fort Steele
Während des Goldrauschs im Jahre 1864 wurde der Ort unter dem Namen Galbraith's Ferry gegründet. Die North West Mounted Police hatte hier ihre erste Station westlich der Rocky Mountains. Zu Ehren des Polizeidirektors Samuel Steele wurde der Ort 1888 umbenannt. Dieser hatte erfolgreich die Spannungen zwischen europäischen Siedlern und den Ktunaxa Indianern mit friedlichen Mittel beigelegt. In den 1890er
Jahren war Steele ein wichtiger Umschlagplatz während des Bergbau-Booms und zählte mehr als 2.000 Einwohner. Als die Eisenbahn aber im Jahre 1898 den Ort zugunsten Cranbrook nicht mehr anlief, begann der Niedergang von Stelle. Am Ende des Zweiten Weltkriegs zählte man nur noch 50 Einwohner. Eine Wochenendveranstaltung mit Musik, Umzug, verkleideten Personen, und Polizei, die jegliches Langsamfahren oder sogar Anhalten unmöglich macht, verleidet es uns, hier eine kleine Pause einzulegen.

Grenzübergang nach USA
Nur die nach den USA Einreisenden werden hier peinlich überprüft. Sogar das Wohnmobil wird geöffnet und flink untersucht. Auch unter der Matratze. Ab jetzt wird die Entfernung wieder in Meilen angegeben.

USA: Bundesstaat Idaho


Idaho ist atemberaubend, und man sagt, man benötige eine Sauerstoffmaske, wenn man die Landschaften sieht. Von den Sawtooth Mountains bis zu den Seven Devils in der Nähe des Hells Canyon staunt man über das Panorama, das sich hier bietet. Idaho hat aber noch andere zahlreiche Wildreservate und Sehenswürdigkeiten, so die Selway-Bitterroot Wilderness, oder die Craters of the Moon National Monument. Wunderschöne Flußlandschaften sind zu besichtigen, so die Snake River, der Selway River oder der Salmon River. Idaho selbst war und ist die am meisten isolierte und rauhe Region, und für die frühen Entdecker war das Land nahezu undurchquerbar. Langsam aber entwickelte sich die Holzindustrie an den Flüssen und durch die Hilfe der einheimischen Indianer auch die Büffeljagd. Im Gegensatz zu den anderen Staaten während der Goldrauschzeit fanden die Bewohner von Idaho ihr Gold in Form von Pelzen und in den Flüssen und Bergen. Heute sind hauptsächlich Freizeittouristen in der Wildnis unterwegs.

USA: Bundesstaat Montana

Soweit das Auge reicht sieht man herrliche Landschaften, hohe Berge, wogende Weizenfelder, tiefgrüne Wiesenlandschaften und überall dazu der blaue Himmel. Das Wild und die Rinderherden durchziehen das Land, daneben kann man Grizzlys, Elche, Schafe, Bergziegen und Adler beobachten. Hügellandschaften wechseln sich ab mit Flusstälern, Wüstenlandschaften und Bergen. Eine Anzahl von Filme sind hier gedreht worden, wie "Der Pferdeflüsterer". Die Kontinentalscheide gibt dem Land im Westen die Berge, im Spanischen "montana" genannt, und die Rocky Mountains, im Osten dagegen endlose Weiten und Grasland. Auf der Going-to-the-Sun-Road hinauf zum Logan Pass kann einem schon das Herz stehen bleiben. Dagegen ist der Yellowstone National Park ein paar Tage wert. Historisch ist die Schlacht am Little Big Horn, als Tausende Cheyenne, Lakota und Arapaho Indianer versuchten, ihr Land vor den weißen Siedlern zu schützen. Nach der Entdeckung von Kupfer in Butte bekämpften sich später zwei Kupferkönige um die Herrschaft, William A. Clark und Marcus Daly. Als Daly wohl gewann, gründete er die Anaconda Copper Mining Co. und kontrollierte die gesamte Gegend. Heute wird die Geschichte des Landes auf vielfältige Art geschützt und Montana geht als gutes Beispiel voran und schützt die Natur sogar durch weitreichende Gesetze.

Kootenay Falls
Der Kootenay River fällt hier spektakulär und wunderschön anzuschauen einige Meter in die Tiefe. Man kann direkt an den Fall hinaufklettern und neben der Kante stehen. Ein paar Hundert Meter weiter flussab können Mutige über eine schwankende Seilbrücke den Fluss überqueren.

Waterton-Glacier International Peace Park
Geologische Veränderungen haben im Nordwesten Montanas die Berge und Täler geformt und haben heute ca. 50 Gletscher und 200 Seen zurückgelassen. Die im Osten gelegenen Bergkämme sind heraus geschobene Teile der Erdkruste. Bergmassive, die ca. 1 Milliarde Jahre alt sind liegen über Schichten, die Millionen an Jahren jünger sind. In diesem Park, der 1 Million Acres groß ist, findet man die herrlichsten Bergkämme und Ansichten. Das u-förmige Tal und die meisten Seen sind in der letzten Eiszeit entstanden. Die meisten Gletscher kann man ohnehin nur zu Fuß erwandern, nur wenige sind von der Straße aus sichtbar. Der Glacier National Park und der Waterton Lakes National Park in Alberta bilden den sogenannten Waterton-Glacier International Peace Park. Der Westteil des Glacier National Parks und der Ostteil sind durch die Going-to-the-Sun-Road verbunden.
<> Granite Park <> Logan Pass

Weil die Fahrzeuglänge unseres Wohnmobils aber größer als 20 ft. war, konnten wir nicht der geplanten Route durch den Nationalpark folgen. Wir sind dann der US2 in Richtung Pinnacle gefolgt.

Browning

Der Ort wurde im Jahre 1895 gegründet und ist heute Zentrum der Blackfoot Indianer und deren Aktivitäten. Gleichzeitig ist es das Hauptquartier des Indianerstamms. Etwa 15 Meilen nach Osten markiert eine Statue den nördlichsten Punkt der von Lewis und Clark am 23. Juli 1806 vorangetriebenen Expedition. Heute leben ca. 10.000 amerikanische Indianer innerhalb des Blackfoot Indian Reservation. Diese ist ca.
1.5 Millionen Acres groß. Ein aus Altmetall geschmiedeter Indianer hoch zu Roß begrüßt uns auf dem Weg in die Stadt.

<> Museum of the Plains Indian

Great Falls
Kapitän Meriwether Lewis hatte im Jahre 1805 als Erster den Wasserfall des Missouri Rivers entdeckt. Kapitän William Clark fertigte die ersten Landkarten an, die diesen Wasserfall und fünf andere enthielten. 1883 wurde der Ort mit dem Namen Great Falls von Paris Gibson gegründet.

Auf dieser Seitenstraße geniessen wir eine unendliche Ruhe und Gelassenheit beim Fahren. Die Straße windet sich durch ein Tal und zeigt hier und da noch Überreste aus der jüngsten Vergangenheit in Form von verfallenen Bergwerken. Meilenweit liegen versteckt kleine Häuser entlang der Straße und überall stehen Angler im flachen Wasser oder treiben in Booten auf Jagd nach Beute oder nach Abwechslung.

White Sulphur Springs
Der Ort liegt eingebettet zwischen den Little Belt Mountains und den Big Belt Mountains. Urlaubern wird ein umfangreiches Sportprogramm zu allen Jahreszeiten geboten. Die Überreste der ehemaligen Silberbergbauzeiten können in den umliegenden Geisterstädten wie Copperopolis und Fort Logan besichtigt werden.

Wir nehmen die Gelegenheit wahr und verlassen die Hauptstraße, um auf einer Landstraße und durch die Berge den nächsten größeren Ort Bozeman zu erreichen. Diese Abkürzung läßt unser Herz höher schlagen, denn wir haben eine gute Wahl getroffen.

Bozeman
Die Stadt liegt im wunderschönen Gallatin Valley und bietet Touristen aus aller Welt ein reichhaltiges Angebot an Freizeitaktivitäten. Der Ort wurde benannt nach John Bozeman, der die ersten Wagentrecks mit Pionieren ins Gallatin Valley brachte. Die von ihm ausgekundschaftete Strecke wurde nicht nur von den nachkommenden Siedlern und Minenarbeitern benutzt, sondern auch von den Indianern. John Bozeman wurde drei Jahre später von Sioux Indianern umgebracht, denn das Tal, in das er die ersten Siedler brachte, war immer ein neutrales und heiliges Jagdgebiet mit dem Namen "valley of the flowers".

<> Montana State University <> The American Computer Museum <> Gallatin Pioneer Museum

Die Strecke führt entlang des Madison Rivers. Angler treiben in kleinen Booten und üben sich im Fliegenfischen. In Schwimmreifen oder auf Luftmatratzen lassen sich Groß und Klein im flachen Wasser treiben und finden Spaß im kühlen Naß.

USA: Bundesstaat Wyoming


Wyoming ist das Wunderland der Natur; tiefe Täler winden sich um riesige Felswände, unübersehbare Ponderosa Pines versperren den Weg und Kalksteingebilde und Höhlen laden zu einem Besuch ein. Das sind nur drei der Naturwunder in diesem Land. Im Yellowstone National Park gibt die Natur tiefliegende Geheimnisse preis und spukt sie geradezu als Fontäne oder Luftblasen in heißem Wasser aus. Dazwischen grasen wieder Bisons, und Bären wandern hin und wieder über die Straße. Devils Tower National Monument verleitet die Bergsteiger zu Höchstleistungen. Aber der höchste Berg ist der Gannett Peak, der sich mit seinen 13.804 ft. Höhe zwischen Bridger-Teton National Forest und Shoshone National Forest majestätisch erhebt. Seen, Gletscher, Schneefelder und Wälder bedecken die Höhen und Täler des Grand Teton National Park. Das Jackson Hole Valley lädt alle Arten von Naturfreunden ein, die Schönheit beiderseits des Snake River zu geniessen. Und dann darf der Yellowstone National Park in der Aufzählung nicht fehlen. Die Kontinentalscheide teilt das Land diagonal in den Bereich des Missouri River Basin im Osten, und in das Columbia River und Colorado River Basin im Westen. Die Kontinentalscheide windet sich hoch oben
in den mächtigen Rocky Mountains und beginnt im Nordwesten in der Gallatin Range und endet tief im Südosten in der Sierra Madre. Der Name Wyoming ist abgeleitet aus der Sprache der Delaware Indianer und bedeutet "on the great plains".

Yellowstone National Park

Der Park wurde 1872 als erster Nationalpark überhaupt gegründet. Sein Name ist entlehnt von den Minnetaree Indianern und bedeutet "yellow rock river". Der größte Teil des Parks liegt in Wyoming, aber der Park erstreckt sich auch nach Montana und Idaho. Wasserfälle und blubbernde und heiße Quellen, und natürlich die Wasserfontäne sind die Hauptattraktion des Parks.

<> Grand Canyon of the Yellowstone <> Yellowstone Lake <> The Paint Point

Norris
Das Norris Geyser Basin ist der heißeste und farblich am häufigsten veränderlicher Platz im gesamten Nationalpark. Seine Eruptionen sind die größten auf der Welt, dafür aber sehr unregelmäßig.

Mammoth Hot Springs
Vor einigen Tausend Jahren fingen die Terrassen an, sich ständig farblich zu verändern. Mineralhaltiges Wasser aus dem Erdinneren lagern täglich bis zu 2 Tonnen Ablagerungen auf den Terrassen ab.

Old Faithfull and the Geysers
Fast ein Viertel aller Geysers aller Welt sind hier zwischen Madison Junction und Old Faithfull zu finden.

Bridger-Teton National Forest
Der Nationalpark umfaßt 3.439.809 Acres verteilt über Gros Ventre, Salt River, Teton, Wind River und Wyoming Gebiete. Innerhalb des bewaldeten Gebiets liegen mehrere aktive Gletscher, ein geologisch herausragendes Beispiel und den höchsten Berg des Staates, den Gannett Peak. Die Kontinentalscheide teilt den Nationalpark. Mehr als 1.300 Seen wurden gezählt. Alle Parks können nur zu Fuß oder zu Pferd erreicht werden.

Grand Teton National Park
Der Nationalpark ist ca. 485 Quadratmeilen groß und umfaßt einen großen Teil der Teton Range in Wyoming, sowie das Jackson Hole Valley. Insgesamt bietet der Park einen majestätischen Eindruck über acht große Seen, viele kleinere Seen, Gletscher, Schneefelder und große Waldgebiete. Die Teton Range zählt zu den jüngsten Gebirgen des Landes.

Jackson
Die Stadt ist der Mittelpunkt für die Farmer und vor allem die Urlauber, welche die gesamte Stadt überziehen. Jede Art von Freizeitsport und Freizeitunterhaltung wird geboten, sowohl in den angrenzenden Tälern, auch auf dem Jackson Lake.

<> Bart-T-5 Cookout & Wild West Show <> Jackson Hole <> Jackson Hole Historical Society <> Jackson Hole Iditarod Sled Dog Tours <> Jackson Hole Museum <> Jackson National Fish Hatchery <> National Elk Refuge

USA: Bundesstaat Idaho

Rexburg
Am Ende der 1870er Jahre bezogen hier viele Goldsucher auf dem Weg nach Montana Quartier, davon viele Mormonen. Um 1883 schoben weitere Siedler ihre Schlitten an die Ufer des Snake Rivers und gründeten die Stadt Rexburg. Im Juni 1976 kollabierte der nahe gelegene Teton Staudamm und schickte nahezu 24 Milliarden Liter Wasser in das darunter liegende Tal. Um dorthin zu kommen, fahren Sie die 20 Meilen nach Nordosten auf der SR33.

<> Teton Flood Museum <> Yellowstone Bear World

Craters of the Moon National Monument

Etwa 18 Meilen westlich von Arco über die US20/26/93 ist die Zufahrt zu diesem Monument zu finden. Das Gebiet umfasst 1.100 Quadratmeilen und beherbergt im Vergleich mehr Vulkangesteine als alle anderen Plätze in den USA. Einst haben sich hier riesige Lavaflüsse durch die Täler gefressen und haben unterschiedliche Lavaformationen hinterlassen. Scharfkantige Gesteine entstanden, und gasangereicherte Gesteinsbrocken wurden wie Bomben in die Luft katapultiert, wo sie abkühlten und als Bombenregen in der Umgebung niedergingen. Die Vulkanaktivitäten liegen ca. 15.000 Jahre zurück, wobei der letzte Ausbruch vor lediglich 2.000 Jahren erfolgte.

<> Big Cinder (700 ft. groß)
<> Big Craters-Spatter Cone Area
<> Höhlen, in denen sogar im Sommer das Eis liegt
<> Devil's Orchard
<> Three Mold Area

Sun Valley
Der Boss der Union Pacific Railroad ließ 1935 den schönsten Fleck auf Erden suchen, der für den Wintersport bestens geeignet sein sollte. Neben Aspen, Jackson Hole und Mount Hood wählte man diesen Ort und baute ein großen Ski-Resort. Nachdem sich Schauspieler wie Gary Cooper und Clark Gable, und auch Ernest Hemingway hier einfanden, wuchs die Stadt unaufhörlich und ist heute ein teurer Platz für eine Viertel Million Besucher jährlich.

Sawtooth National Forest
Das Waldgebiet umfaßt ungefähr 2,1 Millionen Acres und bietet unvergleichliche Ausblicke und Freizeitaktivitäten.

Boise National Forest
Fahrt durch den Boise National Forest. Dieser wurde vor Jahren von einer großen Feuersbrunst heimgesucht und zeigt heute hauptsächlich verkohlte Baumgerippe und nackte Felsen. Es ist ein ungewöhnlich kahler und erschreckender Anblick.

Idaho City
Als Gold im Boise Basin im Jahre 1862 gefunden wurde, war der Ort die größte Stadt im Nordwesten. Bis 1865 lebten hier mehr als 7.000 Goldschürfer, ein Viertel davon waren Chinesen. Bis zu 20.000 Minenarbeiter arbeiteten unter Tage. Das Gebiet um die Stadt bildete zusammen mit Placerville und Centerville die größte Goldquelle, die je gefunden wurde.

<> Boise Basin Museum

Boise
Der Name der Stadt, die 1863 gegründet wurde, stammt aus der Zeit, als französisch-kanadische Trapper nach tagelangem Marsch über die baumlose Prärie endlich an den baumbegrünten Boise River kamen. Die "Stadt der Bäume" wurde tatsächlich erst ein Jahr später gegründet, nachdem der Goldrausch die Gegend erreichte. Boise ist Idaho's Hauptstadt und größte Metropole. Die erste Regierung arbeitete noch in 1863 in Lewistone, zog dann aber ein Jahr später nach Boise um. Boise wurde schnell Handels- und Kulturzentrum für die Bergleute und Bauern aus der umliegenden Gegend. In 1863 wurde das O'Farrell Cabin in der Fort Street errichtet und ist heute das älteste Gebäude der Stadt. Begünstigt durch niedrige Lebenskosten und Steuern ist Boise nicht nur ein prosperierende Wirtschaftszentrale, sondern auch begünstigt durch die sie umgebenden Oweyhee Mountains ist sie vor harten Wintern gut geschützt. Es läßt sich also gut leben hier.

<> Basque Museum and Cultural Center <> Boise Tour Train <> Discovery Center of Idaho <> Idaho Botanical Garden <> The Idaho Military History Museum <> Boise Art Museum <> Idaho Historical Museum <> Zoo Boise <> Morrison Knudsen Nature Center <> Old Idaho Penitentiary State Historic Site

Payette National Forest
Das Gebiet umfaßt mehr als 2,3 Millionen Acres und ist zwischen den Snake River und dem mittleren Arm des Salmon River eingezwängt.

<> Hells Canyon Wilderness <> Hells Canyon National Recreation Area <> Payette Lakes Ski Hill

Weiser

Am Zusammenfluß des Weiser River und des Snake River wurde der Ort nach dem Sgt. Peter Weiser, Mitglied der Lewis und Clark Expedition, benannt. Nördlich des Orts sind spektakuläre Ausblicke auf den Hells Canyon zu geniessen.

Riggins
Dort, wo der Little Salmon River in den Salmon River hineinfließt, beginnt ein spektakulärer Abschnitt der US95 durch das Tal. Die Stadt ist schlechthin der bekannteste Ort für White Water Rafting.

Fahrt entlang des Salmon River. Von der Straße aus gesehen schlängelt sich der Fluß mehr träge und seicht durch das steinige und mit Geröll bedeckte Tal. Bei einer White Water Rafting Tour dagegen gebärdet sich der Fluß schon etwas rauher. Eine kleine Abwechslung ist die Weiterfahrt auf der alten, aber dennoch guten Streckenführung der US95. Serpentinen führen weit hinauf und die Fahrt geht durch eine besonders ruhige aber dennoch wunderschöne Gegend.

Grangeville
Zur Zeit des Goldrauschs war Grangeville ein sehr aktiver Ort, heute ist die Stadt mit führend im Weizenanbau der Landes. Die Stadt liegt inmitten der Camas Prairie, deren Namen von Camissia esculenta abgeleitet ist, einer von den Nez Perce Indianern favorisierten zwiebelartigen und herzhaften Knolle. Ein lebensgroßes Skelett eines Mammut wurde hier in der Nähe des Tolo Lake in 1995 ausgegraben. Der Ort liegt ca. 6 Meilen westlich auf der Route 95 und nennt sich Eimers Park.

Kooskia
Der Ort wurde im Jahre 1895 am Zusammenfluß der beiden Arme des Clearwater Rivers gegründet. Der Name stammt aus der Sprache der Nez Perce Indianer und bedeutet "wo die Wasser zusammen fliessen". Die Felder links und rechts der Straße erstrecken sich bis zum Horizont. Nur selten sieht man die dazugehörigen Farmen, deren Gebäude sich dann eng aneinander schmiegen.

Fahrt durch die Coeur d'Alene Indian Reservation und entlang des Coeur d'Alene Lake. Überall treffen wir auf Holzfäller, deren Fahrzeuge, auf Langholzlaster und auf gefloßtes Holz in Fluß und See.

Coeur d'Alene

Die größte Stadt im nördlichen Idaho hat ihren Namen von den einheimischen Coeur d'Alene Indianern, was so viel bedeutet wie "heart of the awl". Im Jahre 1878 errichtete General William Tecumseh Sherman dort einen Militärposten, wo der Spokane River in den Coeur d'Alene Lake fließt. Nach dem Tod des Generals wurde der Ort Fort Sherman genannt. In den 188oer Jahren brachte der Bergbau Boom im Silver Valley viel Reichtum in die Stadt. Für einige Zeit war die Stadt der geschäftigste Hafen für Dampfschiffe westlich des Mississippi River. Bis in das Jahr 1900 brachte diese Dampfschiffe Touristen in die Stadt. Die Stadt wird auch Lake City genannt, weil der See bis in die Stadt hineinreicht. Der längste schwimmende Wassersteg umrundet das Coeur d'Alene Resort.

<> Museum of North Idaho <> Fort Sherman Museum

USA: Bundesstaat Washington

Spokane
Ein umtriebiger Handelsposten war der Ort und dazu der erste, der nicht in Verbindung mit Indianern stand. Man konnte hier gut leben und auch gute Geschäfte machen. So ist die Stadt zur zweitgrößten des Landes geworden und hat dabei seinen Pioniergeist nicht eingebüßt. Der ursprüngliche Ort war 1810 nach der Expedition von Lewis und Clark etwa 10 Meilen weiter am Little Spokane River entstanden, aber erst in 1872 verlegte man das Zentrum unmittelbar an den Spokane Falls. Im Jahre 1889 zerstörte ein Großfeuer große Teile der Stadt. Heute kann man sogar im eiskalten Winter Teile der Altstadt zu Fuß erreichen, ohne frieren zu müssen; überdachte Fußgängerbrücken ermöglichen das.

<> Manito Park <> Jundt Art Museum <> Mount Spokane <> Northwest Museum of Arts and Culture <> Riverfront Park

Coulee Dam
Coulee Dam und die Orte Electric City, Elmer City und Grand Coulee in der Nachbarschaft entwickelten sich schnell aus einer Wüstengegend im Jahre 1933, als die zahlreichen Arbeiter mit dem Bau des Coulee Staudamms begannen. Mehr als 8.000 Menschen arbeiteten an dem Projekt, das in 1942 abgeschlossen wurde. Der Staudamm wurde nahe der Seaton's Ferry gebaut, die in den Jahren 1920-34 auf dem Columbia River operierte.

<> Grand Coulee Dam

Nespelem
Nespelem ist das Hauptquartier der Colville Indianerstämme. Das Reservat wurde 1872 eingerichtet und umfaßt 1,3 Millionen Acres. Es beherbergt die Stämme der Colville, Entiat/Chelan, Lake, Methow, Moses Columbia, Nespelem, Nez Perce, Okanogan, Palouse, Sanpoil, Senijextee, Skitwish und Wenatchee Indianer. Der berühmte Indianerhäuptling der Nez Perce, Chief Joseph, ist auf einem Hügel im Nordosten der Stadt begraben.

Okanogan
Während General G. W. Goethals den Pazifischen Nordwesten im Jahre 1883 erkundete, schlug dieser Soldat und Ingenieur des Panama Kanals hier sein Lager auf. Die Stadt selbst wurde im Jahre 1888 unter dem Namen Alma gegründet. Im Jahre 1905 wurde sie umbenannt in Pogue. Schließlich wurde sie 1907 in Okanogan benannt.

<> Okanogan Country Historical Museum

Winthrop
Die Zeiten des Old West leben in der Main Street des Ortes wieder auf. Falsche Hausfronten, hölzerne Gehsteige und alte Straßenlampen sollen an die 1890er Jahre erinnern, als ein Bergbau Boom zahlreiche Siedler hierher führten.

<> Shafer Museum <> Winthrop National Fish Hatchery

North Cascades National Park
Sobald der erste Schnee fällt, wird die Verbindung vom Diablo Lake und Mazama bis in den nächsten April oder sogar Mai geschlossen. Der Park wurde durch Gletscher geformt. Heute sind noch 315 Gletscher aktiv und bieten mit scharfkantigen Berggipfeln, engen Canyons und vielen Flüssen und Seen eine wunderschöne Landschaft.

Fahrt durch den North Cascades National Park auf dem North Cascades Highway und entlang des Ross Lake, des Diablo Lake und des Gorge Lake.

Rockport
In der Nähe fliessen der Skagit River und der Sauk River zusammen. In jedem Winter versammeln sich die größte Anzahl von bald eagles zu beiden Seiten der Flüsse, um sich mit Lachsen zu verpflegen. Diese kommen Ende November hier an, aber ihre Zahl vergrößert sich im Dezember und hat seinen Höchststand im Januar.

Everett
Eine ganz besondere Art der Übernachtung ermöglicht sich am Ende der Rundreise. Weil es kaum irgendwelche Campgrounds in der Gegend um Everett zu geben scheint, empfiehlt es sich, dem Tip von Glücksspielern zu folgen. Diese treffen sich auf dem riesigen Parkplatz des Wal-Mart (direkt am Exit der I5) und fahren dann ihr Gefährt zum öffentlichen Parkplatz für R-Vs hinten beim Casino. Dort kann man gut und kostenlos die letzte Nacht verbringen. Auch ohne Glücksspiel. Der US2 nach Westen folgen und zur Rucker Avenue durchfahren, dann nach Süden abbiegen. Bei der Hertz Station das zuvor reservierte Fahrzeug übernehmen und der Rucker Avenue nach Süden folgen. Die Rucker Avenue geht in den Evergreen Highway über. Weiterfahren bis zur Abgabestation des Wohnmobils.

Mit dem PKW weiter nach Süden in Richtung Seattle und dann zum reservierten Hotel. Vor einer Besonderheit sei hier gewarnt: Vergeblich sucht man nach der richtigen Abfahrt zum Flughafen, weil es keinerlei Hinweisschilder darauf gibt. Der Flughafen wird hier nur SEATAC (Seattle-Tacoma) genannt. Auf der I5 nach Süden bis zum Exit 151. Dort auf die 200th Street nach Osten bis zur Kreuzung mit der SR99, dem International Boulevard.

Streckenlänge:
In Kanada wurden zurückgelegt ca. 1.722 Kilometer.
In den USA wurden zurückgelegt ca. 2.580 Meilen.

Benzinkosten:
Wie zu erwarten war der größte Ausgabenposten das Benzin. Besonders ärgerlich war, daß das Wohnmobil ein Benziner und kein Diesel war. Ein Fahrzeug dieser Größe und dieses Gewichts schluckt eine Unmenge an Kraftstoff, ganz gleich wie es auf der Strecke bewegt wird. Erschwerend wirkte sich in der zweiten Hälfte der Reise der Hurricane Katrin aus, dessen Zerstörung im Süden der USA, und hier besonders die Stadt New Orleans, die Kraftstoffpreise gleich um 40 Cents pro Gallone hochschnellen ließ.

Fazit:

Wir haben von dem ursprünglichen Routenplan nur etwa die Hälfte abgefahren, dabei haben wir uns hauptsächlich treiben lassen von den Eindrücken, von der Landschaft, fernab der großen Highways und meistens unter Umgehung größerer Städte. Diese Broschüre sollte uns helfen, das Gesehene und Erfahrene zusammen mit einigen Hundert Fotos zu konservieren und gleichzeitig Geschmack zu machen auf eine neue Reise, um die zweite Hälfte des ursprünglichen Routenplans abzufahren.

© OScAR 2005. Stark verkürzter Text.