Von Ampel zu Ampel hüpfe ich durch die Stadt. Start/Stop nennt man das unter IT-Profis, wenn die „Grüne Welle“ ein Fremdwort zu sein scheint. Dafür scheint die Sonne und mein Auto strahlt in frischem Glanze.
Plötzlich springt mir eine Gestalt vor den Wagen und weist mich auf einen Mangel hin. Die Autowaschanlage habe ein sehr wichtiges Teil ausgelassen. Die Frontscheibe nämlich. Schon wieder die Frontscheibe. Ich erhole mich gerade von diesem Schreck, daß die Frontscheibe vernachlässigt wurde, da schmiert dieser aufmerksame und um meine Frontscheibe besorgte Zeitgenosse schon auf dieser ungefragt herum. Und weil der nachfolgende Verkehr wegen der grünen Ampel schon unruhig mit den Hufen scharrt, versuche ich der Gestalt durch Handzeichen zu danken und loszufahren. Was signalisiert dieser? Geld will er haben? Für die Schmiererei auf meiner Scheibe? Da erinnere ich mich glücklicherweise an den Trick meiner amerikanischen Autofahrerkollegen: Losfahren. Und ich fahre los.
Weil die nächste Ampel schon wieder rotes Licht zeigt, verlangsame ich meine Flucht vor dem Frontscheibenverschmierer und werfe mich dafür dem nächsten Hindernis geradezu in die Arme. Ein junger Mann in farblosen Klamotten hat das rechte Hosenbein hochgekrempelt und zeigt darunter eine gar schreckliche Verstümmelung des Unterschenkels. Die beiden Krücken runden das schauerliche Bild noch ab. Was will er? Geld will er haben? Ob der amerikanische Trick auch hier helfen wird? Er hilft.
Der nächste Ampelhalt ist ausgesprochen langweilig.
Sehr schön! Schon von weitem entdecke ich eine Gestalt, die an der nächsten Kreuzung herumspringt. Also gebe ich mein Bestes, um dieses Schauspiel in erster Reihe verfolgen zu können. Was wird es diesmal sein? Ob ich eine Zeitung mit dicken Schlagzeilen haben möchte? Ich lehne dankend ab, denn da sind mir einfach zu wenig Bilder abgedruckt. Und den Text kann ich sowieso nicht lesen. Und damit rolle ich wieder an.
Aufgepaßt! Dort vorne irrt ein Mädchen auf der Straße herum! Zum Glück zeigt auch diese Ampel rot und ich muß anhalten. Was ist mit dem Kind? Hat es sich etwa verletzt? Denn es kommt auf mich zu und hält mir einen Streifen Heftpflaster entgegen. Nein, nein, nein. Ich habe einen Erste-Hilfe-Kasten an Bord und benötige kein Heftpflaster. Nein, einen Euro habe ich leider nicht and Bord. Das Mädchen schaut mich böse an und schleicht zu einem anderen Fahrzeug. Und ich schleiche zur nächsten Kreuzung.
Dort muß es einen Unfall gegeben haben, denn die Feuerwehr rennt von Fahrzeug zu Fahrzeug. Was ist passiert, frage ich einen der Freiwilligen. Nein, nein, nichts ist passiert, aber sie benötigen für die nächste Grillparty etwas Kleingeld. Das ist mir aber jetzt peinlich, habe ich doch nur große Scheine bei mir. Ich gebe dafür etwas Gummi und bin dadurch recht flott an der nächsten roten Ampel.
Wahrscheinlich war es doch etwas zu viel Gummi. So jedenfalls erklärt es ein streng schauender Polizist und unterbricht meine kleine Erkundungsfahrt durch die Stadt für die nächste halbe Stunde. Am Ende begnügen wir uns beide mit meiner Kreditkarte.
© OScAR 2010.
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